Von Flammen verzehrt
Die Signora
Rom, heute
Paschalis sah auf seine Uhr. Der goldene Zeiger wanderte unaufhörlich in Richtung der Zwölf, und mit jedem Ruck des Sekundenzeigers beschleunigte sich sein Puls weiter. Er tupfte sich mit einem karmesinroten Seidentuch die Stirn ab und lehnte sich in das weiche Leder des Rücksitzes zurück. Normalerweise genoss er die Stille in der kugelsicheren Limousine, in der auch Staatsgäste in den Vatikan eskortiert wurden, aber heute empfand der Kardinal den Mangel an Fahrgeräuschen als erdrückend.
Der Innenraum war auf angenehme 19 °Celsius klimatisiert, trotzdem stand ihm der Schweiß im engen Kragen seiner Soutane. Er wälzte seinen massigen Körper näher an die verchromte Lüftungsdüse heran und wischte sich erneut mit dem Tuch über Stirn und Oberlippe.
Er hätte gerne das Fenster einen Spalt geöffnet, um frische Luft hereinzulassen, aber er wusste, dass er damit nur die drückende Hitze hereinlassen würde, also ließ er es bleiben. Stattdessen versuchte er, mit einem Finger den Halsausschnitt seiner scharlachroten Mozzetta zu weiten. Er bekam kaum Luft. Und das Mittagessen lag ihm schwer im Magen und verursachte ihm Sodbrennen.
„Zum Teufel mit dieser Hitze!“, fluchte er und sah erneut auf die Uhr. Wenigstens würde er pünktlich sein. Etwas, das unbedingt von ihm erwartet wurde.
Um sich von dem Umschlag neben sich nicht weiter verunsichern zu lassen, warf er einen Blick aus dem Fenster.
Die zypressengesäumte Allee führte schnurgerade zur Küste, und ihm wurde vom abwechselnden Licht- und Schattenspiel auf dem Asphalt übel. Im Süden konnte er schon den Olivenhain ausmachen. Das Gutshaus des Anwesens mit den roten Ziegeln und dem weißen Putz strahlte in der Mittagssonne. In der weitläufigen Auffahrt standen teure Wagen. Hier konnten Geschäftskunden das kostbare Olivenöl der Manufaktur verkosten. Erlesene Weine, außergewöhnliche Käsesorten und frische Ciabatta wurden hier Vertretern der Spitzengastronomie oder wohlhabenden Privatkunden angeboten.
Der Fahrer des Kardinals steuerte den Wagen am Landsitz vorbei und verließ den vornehm gepflasterten Weg. Eine staubige Straße führte zwischen den in Reihen wachsenden Olivenbäumen hindurch, und mit jedem Staubkorn, das die Reifen aufwirbelten, wuchs Paschalis Nervosität. Sein Mund war trocken, und er schnappte nach Luft, als er das Brummen von Rotoren vernahm, die silbergraue Olivenbaumblätter auf den Wagen regnen ließen. Die Baumkronen tanzten im Wind, und das Surren wurde lauter.
Sobald sie die weiße Sandsteinklippe erreicht hatten, stoppte sein Fahrer die Limousine. Der Kardinal wischte sich den Schweiß aus dem Nacken und beobachtete angespannt, wie der Hubschrauber nur wenige Meter vor ihm auf der Klippe aufsetzte. Noch ehe die Kufen den Boden berührt hatten, sprang ein Mann aus dem Cockpit.
Er trug sein schwarzes Haar mit viel Gel nach hinten gekämmt, eine verspiegelte Sonnenbrille verdeckte seine Augen. Ein beigefarbener Anzug saß passgenau an seinem durchtrainierten Körper.
Ein Maßanzug, das konnte Paschalis selbst auf die Entfernung erkennen – genau wie das Schulterholster und die Schusswaffe, die sich durch den Wind der Rotoren unter dem leichten Sakko abzeichneten.
Der Mann nahm eine breitbeinige, militärische Haltung ein und verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
Der Kardinal glaubte, trotz der getönten Autoscheiben und der undurchsichtigen Sonnenbrille des Mannes, dessen abschätzenden Blick auf sich zu spüren. Halt suchend griff er nach dem goldenen Kruzifix, das er um den Hals trug, aber für ein Gebet war es nun wohl zu spät.
Mit zitternden Fingern nahm Paschalis den Umschlag, schob sich das rote Scheitelkäppchen zurecht und stieg aus. Die Hitze traf ihn wie eine Wand. Die noch immer drehenden Rotoren wirbelten ihm die heiße Luft entgegen, und er musste sich trotz seiner Leibesfülle gegen den starken Luftzug stemmen. Er beeilte sich, den Mann zu erreichen und sich scheu vor ihm zu verneigen.
Davon unbeeindruckt trat dieser dicht an den Würdenträger heran und durchsuchte ihn nach Waffen.
Als würde ich das wagen , dachte Paschalis und schämte sich, als er sein fettleibiges, ängstliches Spiegelbild in den Brillengläsern seines Gegenübers sah.
„Bueno“, murmelte der Mann und schlug mit der Hand gegen die seitliche Schiebetür des Helikopters.
Paschalis trat ein Stück zurück, als sich diese öffnete und zwei weitere Männer herauskamen. Links und rechts vom
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