Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
sich die Indianer, um mit ihren Gästen im Dorfe einzuziehen. Die Männer gingen zu dreien voran; dann kamen die Kinder, und darauf folgten die Ankömmlinge. Der Häuptling hatte sich an die Spitze gestellt.
Das Dorf bestand aus vielleicht achtzig Hütten, welche durchweg aus gestampfter Erde bestanden und mit Schilfdächern versehen waren. In den Gärten gab es Blumen, und auf den Feldern wuchsen neben Getreide allerlei Gemüse, von denen sich diese Leute, welche wenig Fleisch essen, meist ernähren. Hinter den Feldern gab es bis nach dem Walde hin einen ziemlich großen Plan, auf welchem Rinder und Pferde weideten. Von den ersteren konnte man vielleicht sechzig Stück, von den letzteren kaum dreißig, den ganzen Reichtum des Dorfes, zählen.
Man stieg von den Pferden. Dann hielt der Häuptling eine Rede, in welcher er seinen Untergebenen erzählte, was er erlebt hatte und daß die feindlichen Abipones im Anzuge seien. Als er geendet hatte, erhob der Vater Jaguar seine Stimme, um zu sagen, daß er beabsichtige, die mitgebrachten Pferde und Gewehre als Geschenke unter sie zu verteilen. Natürlich rief das einen allgemeinen Jubel hervor. Der Lieutenant Verano machte dann zwar eine Bemerkung darüber, daß niemand ein Recht besitze, die erbeuteten Pferde, an denen er eigentlich auch einen Anteil habe, oder gar die Gewehre zu verteilen; Hammer achtete aber gar nicht darauf.
jetzt begann es dunkel zu werden. Man entlastete die Pferde, ließ sie im »klaren Bache« trinken und trieb sie dann nach dem Weideplane, wo sie sich erholen sollten. Von dort brachte man einige Rinder mit, welche den Gästen zu Ehren geschlachtet und verschmaust werden sollten. Feuer wurden angezündet, und beim Scheine derselben entwickelte sich ein eigenartiges Leben, welches selbst denen, die dergleichen schon oft erlebt hatten, von großem Interesse war.
Die Cambas schienen zunächst gar nicht an die Gefahr, welche ihnen von den Abipones drohte, zu denken. Sie hatten gehört, daß dieselben noch fern waren, und wußten den Vater Jaguar bei sich. Die Anwesenheit dieses Mannes ließ keine Sorge bei ihnen aufkommen.
Das Fleisch wurde ganz wie bei den Gauchos bereitet und verzehrt. Man trank dazu ein gegorenes Getränk, welches aus den Früchten des Chafiar bereitet wird. Dazu genoß man Kuchen, welchen die Frauen aus Mais- und anderm Mehl in der heißen Asche buken.
Nach diesem Essen wurde eine Beratung gehalten, an welcher alle Weißen und auch der Häuptling teilnahmen. Wohl nur den Lieutenant Verano ausgenommen, hielten alle es für ganz selbstverständlich, daß dem Vater Jaguar die erste Stimme und auch die Entscheidung zustehe. Er wurde aufgefordert und gab seinen Plan bekannt.
Morgen früh sollten die Gewehre verteilt und die Cambas im Gebrauche derselben unterwiesen werden. Zur geeigneten Zeit sollte man nach dem Thale des ausgetrockneten Sees ziehen, hundert Cambas sollten durch den Eingang desselben marschieren, um sich dann seitwärts im Walde zu verstecken. Diese Leute mußten natürlich die Abipones kommen sehen; sie hatten zu warten, bis diese vorüber und im Thale verschwunden sein würden. Dann sollten sie aus ihrem Verstecke hervorkommen und den Eingang besetzen, damit die Abipones nicht zurück könnten.
Die andern Cambas sollten sich im Thale selbst verstecken, und zwar hinter den Bäumen, um im gegebenen Augenblicke aus dieser sichern Deckung heraus den Kampf zu beginnen. Die Einzelnheiten konnten natürlich nicht genau vorherbestimmt werden. Darum sollten die Cambas so nahe beieinander stehen, daß der eine dem andern die von dem Vaterjaguar ausgehenden Befehle leise zurufen könne. Nach diesen sollte dann ganz genau gehandelt werden.
Alle waren mit diesem Plane einverstanden, nur der Lieutenant nicht. Er hatte geschwiegen, bis alle ihre Zustimmung erteilten; dann aber sagte er, gegen den Vater Jaguar gewendet:
»Ihr Plan, Señor, ist ganz gut, nämlich wenn er gelingt. Nur zweifle ich, daß dies der Fall sein wird.«
»Das muß abgewartet werden,« antwortete Hammer in gleichmütigem Tone.
»Warum abwarten! Die Force eines tüchtigen Soldaten besteht im Angriffe, nicht aber im Zaudern. Der Angreifer ist stets im Vorteile, was Sie aber nicht zu wissen scheinen.«
»Ich weiß es wenigstens ebenso gut wie Sie, Señor!«
»Nun, warum wollen Sie denn da nicht angreifen?«
»Ich will es ja; aber freilich erst dann, wenn ich den Feind in der Falle habe.«
»Das ist falsch. Sie dürfen ihn gar nicht so weit
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