Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
machen uns nichts draus. Jroße Jeister, die sich nur mit Riesentieren abjeben, bekümmern sich nicht um so kleine Menschen.«
Der Doktor blickte nachdenklich vor sich nieder und sagte dann:
»Fritze, ich werde doch wohl einen Fehler gemacht haben!«
»Mit dem Lieutenant?«
»Nein, sondern mit dem Riesentiere, mit den Knochen, welche wir da hinten an dem Sumpfe gefunden haben.«
»Wieso?«
»Ich hätte sie nicht liegen lassen, sondern mitnehmen sollen.«
»Warum?«
»Weil sie mir in Verlust geraten werden. Du hast gehört, daß die Abipones hinter uns herkommen. Sie halten jedenfalls auch an dem Sumpfe an, und dann ist’s jedenfalls um die schönen Knochen geschehen.«
»Dat ist mich unwahrscheinlich. Wat wollen die Abipones mit die Knochen machen?«
»Diese nicht, aber die Weißen, welche bei ihnen sind.«
»Hm! Meinen Sie?«
»Ja. Die Soldaten wissen, daß solche Knochen für die Wissenschaft einen großen Wert besitzen, und werden sie mitnehmen.«
»Nein, dat werden sie nicht; da kann ik Ihnen trösten. Selbst wenn sie die Absicht hätten, sie mitzunehmen, würden sie sie doch einstweilen liejen lassen, um sie dann erst auf dem Rückwege aufzuklauben.«
»Das ist ganz dasselbe.«
»Nein, denn wir besiegen ihnen ja!«
»Ob sie als Sieger oder als Besiegte zurückkehren, das ist gleich; sie werden sie mitnehmen. Ich bin überzeugt davon.«
»Wenn Sie so sagen, dann muß ik Ihnen allerdings recht jeben. Aber es ist nicht zu ändern.«
»O doch.«
»Wie?«
»Wenn wir beide zurückritten, um die Knochen zu holen.«
»Dat jeht nicht.«
»Warum?«
»Weil wir den Feinden in die Hände fallen würden.«
»Gewiß nicht! Der Vater Jaguar sagte ja, daß sie nicht eher als in vier Tagen hier sein würden. So lange hätten wir also Zeit.«
»Jut; aber es jeht doch nicht, denn der Vater Jaguar würde es nicht erlauben.«
»Das ist gar nicht nötig. Ich werde mich hüten, ihn um die Erlaubnis zu fragen.«
»Also nicht? ja, dat wäre eine andre Sache.«
»Fritze, würdest du mitreiten?«
»Hm! Es kommt mich doch ein wenig unheimlich vor.«
»Ich denke, du bist mir treu!«
»Herr, treu bin ik; darauf können Sie Ihnen verlassen!«
»Aber keinen Mut hast du?«
»Keinen Mut? Wat? lk als Stralauer Kind am Rummelsburger See soll keinen Mut haben? Dat hat noch kein Mensch mich zu sagen jewagt!«
»Warum ist es dir da mit einemmal so unheimlich geworden?«
»Nicht aus Furcht, sondern von wejen des bösen Jewissens. Es kommt mich wie ein Unrecht vor, so etwas zu unternehmen, ohne vorher den Vater Jaguar zu fragen.«
»Sind wir an ihn gebunden? Ist er unser Vorgesetzter?«
»Nein. Aber unter die jejenwärtige Verhältnisse halte ik es für sehr richtig, nichts ohne sein Vorwissen zu unternehmen.«
»Auch wenn ich darum bitte?«
»Bitte? Herr Doktor, wenn Sie mich befehlen, so jehorche ich; wenn Sie mir aber bitten, so muß ik Ihnen erst recht den Willen thun. Es würde mich jeradezu unmöglich sein, Ihnen eine Bitte abzuschlagen.«
»So ist’s recht! Das nenne ich Treue, lateinisch Fidelitas geheißen! Also ich kann mich auf dich verlassen?«
»Ja. lk jehöre zu Sie und weiche nicht von Ihre Seite. Aber ist’s denn wirklich jewiß, daß Sie zurück wollen?«
»Noch nicht ganz. Ich muß erst abwarten, ob die Verhältnisse meinem Vorhaben günstig sind.«
»So sagen Sie mich wenigstens, wie wir die Knochens fortbringen wollen?«
»Wie soll ich das wissen? Ich möchte mich da auf deinen Scharfsinn verlassen.«
»Ja, wenn mein Scharfsinn ein Roll- oder Frachtwagen wäre, so könnten wir sie darauf verladen. Hier jibt’s überhaupt keine Wagens. Man kann sich höchstens der Lastpferde bedienen.«
»Und da haben wir leider keine!«
»Nicht? Wat, wir hätten keine? Haben wir nicht über achtzig Pferde erbeutet?«
»Aber die gehören uns doch nicht!«
»Nicht? Wer hat dat behauptet? Wir waren dabei, als sie erbeutet worden sind. Sie sind eijentlich Jemeingut und müssen verteilt werden. Da kämen wenigstens vier Stück auf uns beide. Ik mache mich jar kein Jewissen, einige Pferde wegzunehmen. Dat ist kein Diebstahl, denn wir bringen sie doch wieder. Und Packsattels sind auch vorhanden. Wir haben also allens, wat wir brauchen.«
»Und würdest du den richtigen Weg finden, damit wir uns nicht etwa verirren?«
»Glauben Sie nicht, daß ich mir verirren würde. Wo ik einmal jewesen bin, da bin ik zu Hause wie in meine Tasche. Dat ist der jeringste Kummer, den Sie Ihnen zu machen brauchen, Wenn ik
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