Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
welche fehlen?«
»Tot,« antwortete Grinley bedeutend kleinlauter als vorher.
»Tot? Wer hat sie getötet?«
»Wir.«
»Warum?«
»Weil wir bemerkten, daß sie uns nach dem Leben trachteten. Sie wollten uns heimlich ermorden.«
Mokaschi zog die Brauen erstaunt empor und rief aus:
»Uff! Euch heimlich ermorden? Diese Leute! Wer hat euch diese Lüge gesagt?«
»Es ist keine Lüge, sondern Wahrheit. Sie sprachen miteinander, als sie glaubten, daß wir es nicht hörten; aber ich belauschte sie.«
»Hund, das ist eine Lüge! Ich habe die Augen, die Gesichter dieser zwei Männer genau betrachtet; sie waren gute und ehrliche Menschen; ihr aber seid Mörder und Diebe, die man ausrotten muß wie wilde und giftige Tiere. Wo befinden sich ihre Leichen? Ich habe sie nicht gesehen.«
»Im Wasser.«
»Auch sah ich keine Spur von Blut. Also habt ihr sie nicht vorher getötet, ehe sie in das Wasser geworfen wurden?«
»Nein.«
»So sind sie ersäuft worden?«
»Ja.«
Es kostete dem Oelprinzen große Anstrengung, dieses Ja auszusprechen. Die Wirkung zeigte sich sofort: Der Häuptling versetzte ihm einen Fußtritt, spie ihm ins Gesicht und rief:
»Ungeheuer, du scheußliches! Du bist kein Mensch, sondern ein Ungeziefer, und sollst eines Todes sterben, welcher deiner würdig ist. Seine Gefährten, die ihn nicht beleidigt haben, nicht nur zu erschlagen, sondern sogar zu ersäufen! Du bist hinterrücks über sie hergefallen, wie du auch Khasti-tine heimtückisch ermordet hast!«
Als das »schnelle Roß« dies hörte, richtete er sich auf, soweit seine Fesseln dies erlaubten, und sagte:
»Welche Worte hat Mokaschi da gesprochen? Wer hat Khasti-tine ermordet?«
»Dieses Bleichgesicht, welches wagt, zu glauben, daß ich es freilassen werde.«
»Uff! Der Elende sagte, die beiden Ersäuften seien die Mörder.«
»Lüge! Er selbst hat sich gegen mich gerühmt, die beiden Späher der Navajos getötet zu haben. Der feige Schurke bebt nun vor Angst und schiebt die Schuld den zwei ehrlichen Männern zu, welche er ermordet hat. Diese zwei erschossenen Späher und die beiden ermordeten Bleichgesichter sollen fürchterlich gerächt werden, obgleich keiner von ihnen zu meinem Stamme gehört hat. Seht diese drei weißen Mörder vor euch liegen, ihr roten Krieger, sie werden Qualen erleiden müssen, ohne sterben zu können, und dann am Ende ersäuft werden, wie sie ihre Opfer auch ersäuft haben. Howgh; ich habe es gesagt!«
Er spie dem Oelprinzen nochmals in das Gesicht, gab Buttler und Poller je einen sehr kräftigen Fußtritt und wendete sich dann von ihnen ab.
Es wurde ein Bote fortgeschickt, welcher die Pferde holen mußte; als diese kamen, wurde getrocknetes Fleisch aus den Satteltaschen genommen und das Mahl gehalten. Die gefangenen Navajos bekamen auch zu essen; die drei Weißen aber erhielten keinen Bissen.
»Verteufelte Geschichte!« flüsterte Buttler seinem Stiefbruder zu. »Dieses Ersäufen bricht uns den Hals. Es wäre doch vielleicht besser gewesen, die Wahrheit zu sagen.«
»Nein,« antwortete der Oelprinz. »Die roten Kerls hätten den Bankier und den Deutschen befreit, ohne daß unsre Lage dadurch verbessert worden wäre. Vor allen Dingen wären wir um die Anweisung gekommen.«
»Pshaw! Was nützt sie uns, wenn wir am Marterpfahle braten!«
»So weit ist es noch nicht.«
»Wird aber so weit kommen! Hast ja gehört, was der Häuptling sagte!«
»Gesagt wird manches, was dann doch nicht zur Ausführung kommt.«
»So hast du noch Hoffnung?«
»Natürlich! Befinde mich nicht zum erstenmal in einer solchen Klemme; bin immer mit einem blauen Auge davongekommen. Und selbst wenn ich an den Marterpfahl gebunden werde, halte ich noch immer die Hoffnung fest, bis sie mir den Todesstoß versetzen. Es hat, wie du weißt, schon mancher am Pfahle gehangen und ist doch gerettet worden.«
»Der hatte Freunde, die ihn befreiten; wen aber haben wir?«
»Hm!«
»Keinen Menschen, welcher um unsertwillen wagen würde, hier mit den Roten anzubinden. Wenn die Befreiung nicht uns selbst gelingt, so sind wir verloren.«
Er hatte nur zu recht. Wenn sie es wert gewesen wären, Freunde zu besitzen, so hätten sie jetzt die Hilfe aus der Not viel, viel näher gehabt, als sie glauben oder auch nur ahnen konnten. Es waren Helfer da, nämlich Old Shatterhand und Winnetou. –
Diese beiden Männer waren seit dem Augenblicke, an welchem sie nach ihrem Zusammentreffen den Oelprinzen mit seinen Begleitern belauscht hatten, entschlossen
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