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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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selbst die Geschenke der Liebesgöttin willkommen sind, so lenke den ehernen Speer des Önomaos von mir ab, entsende mich auf dem schnellsten Wagen gen Elis und führe mich zum Siege. Denn schon hat er dreizehn liebende Männer ins Verderben gestürzt, und noch schiebt er die Hochzeit der Tochter auf. Eine große Gefahr duldet keinen unkriegerischen Mann. Ich bin entschlossen, sie zu bestehen. Wer doch einmal sterben muß, was soll er ein namenloses Alter in Finsternis dasitzend erwarten, alles Edlen unteilhaftig? Darum will ich den Kampf 57
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    bestehen: du gib mir erwünschten Erfolg!«
    So betete Pelops, und sein Flehen war nicht vergebens. Denn abermals rauschte es in den Wassern, und ein schimmernder goldner Wagen mit vier pfeilschnellen Flügelrossen stieg aus den Wellen empor. Auf ihn schwang sich Pelops und flog, die Götterpferde nach Gefallen lenkend, mit dem Wind in die Wette nach Elis.
    Als Önomaos ihn kommen sah, erschrak er; denn auf den ersten Blick erkannte er das göttliche Gespann des Meergottes. Doch verweigerte er dem Fremdlinge den Wettkampf nach den gewohnten Bedingungen nicht; auch verließ er sich auf die Wunderkraft seiner eigenen Rosse, die es dem Winde zuvortaten. Nachdem die Pferde des Pelops von der Reise durch die Halbinsel gerastet, betrat er mit ihnen die Laufbahn. Schon war er dem Ziele ganz nahe, als der König, der das Widderopfer wie gewöhnlich verrichtet hatte, mit seinen luftigen Rossen plötzlich ihm auf den Nacken kam und schon den Speer schwang, dem kühnen Freier den tödlichen Stoß zu versetzen. Da fügte es Poseidon, der den Pelops beschirmte, daß mitten im Laufe die Räder des königlichen Wagens aus den Fugen gingen und dieser zusammenbrach. Önomaos stürzte zu Boden und gab vom Falle den Geist auf. In demselben Augenblicke hielt Pelops mit seinem Viergespann am Ziele. Als er hinter sich blickte, sah er den Palast des Königs in Flammen stehen; ein Blitzstrahl hatte ihn angezündet und zerstörte ihn von Grund aus, daß nichts als eine Säule davon stehenblieb. Pelops aber eilte mit seinem Flügelgespann dem brennenden Hause zu und holte sich die Braut aus den Flammen.
    NIOBE
    Niobe, die Königin von Theben, war auf vieles stolz. Amphion, ihr Gemahl, hatte von den Musen die herrliche Leier erhalten, nach deren Spiel sich die Steine der thebischen Königsburg von selbst zusammengesetzt hatten; ihr Vater war Tantalos, der Gast der Götter; sie war die Gebieterin eines gewaltigen Reiches und selbst voll Hoheit des Geistes und von majestätischer Schönheit; nichts aber von allem diesem schmeichelte ihr so sehr als die stattliche Zahl ihrer vierzehn blühenden Kinder, die zur einen Hälfte Söhne und zur andern Töchter waren. Auch hieß Niobe unter allen Müttern die glücklichste, und sie wäre es gewesen, wenn sie nur sich selbst nicht dafür gehalten hätte; so aber wurde das Bewußtsein ihres Glückes ihr Verderben.
    Einst rief die Seherin Manto, die Tochter des Wahrsagers Tiresias, von göttlicher Regung angetrieben, mitten in den Straßen die Frauen Thebens zur Verehrung Latonas und ihrer Zwillingskinder, Apollos und der Artemis, auf, hieß sie die Haare mit Lorbeeren bekränzen und frommes Gebet unter Weihrauchopfer darbringen. Als nun die Thebanerinnen zusammenströmten, kam auf einmal Niobe im Schwarm eines königlichen Gefolges, mit einem golddurchwirkten Gewande angetan, prunkend einhergerauscht. Sie strahlte von Schönheit, soweit es der Zorn zuließ, ihr schmuckes Haupt bewegte sich zugleich mit dem über beide Schultern herabwallenden Haar. So stand sie in der Mitte der unter freiem Himmel mit dem Opfer beschäftigten Frauen, ließ die Augen voll Hoheit auf dem Kreise der Versammelten ruhen und rief. »Seid ihr nicht wahnsinnig, Götter zu ehren, von denen man euch fabelt, während vom Himmel begünstigtere Wesen mitten unter euch weilen? Wenn ihr der Latona Altäre errichtet, warum bleibt mein göttlicher Name ohne Weihrauch? Ist doch mein Vater Tantalos der einzige Sterbliche, der am Tische der Himmlischen gesessen hat, meine Mutter Dione, die Schwester der Plejaden, die als leuchtendes Gestirn am Himmel glänzen; mein einer Ahn Atlas, der Gewaltige, der das Gewölbe des Himmels auf dem Nacken trägt; mein Vatersvater Zeus, der Vater der Götter; selbst Phrygiens Völker gehorchen mir, mir und meinem Gatten ist die Stadt des Kadmos, sind die Mauern untertan, die sich dem Saitenspiel Amphions gefügt haben;

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