Sakrament der Lust
ich gerade mein Herz ausgeschüttet habe!», verteidige ich mich.
«Ich arbeite sehr gerne mit Menschen und es macht mich glücklich, ihnen in der Not helfen zu können!»
«Hm, das merkt man. Wie sind Sie darauf gekommen?»
Er zögert, bevor er fortfährt.
«Ich hatte einen schweren Unfall, der bewirkte, dass ich mir mehr Gedanken über das Leben machte.»
«Ja, ich denke auch manchmal über das Leben nach, besonders wenn es mir schlecht geht, aber ich wurde nicht sehr religiös erzogen. Glauben Sie denn wirklich, dass es so was wie einen Gott gibt?»
«Natürlich, sonst wäre ich wohl nicht Priester geworden!»
«Aber wie können Sie da so sicher sein?», frage ich zweifelnd.
Ich habe zwar einen Drang zu allem mystischen, aber mir ist immer bewusst, dass das alles mit Realität nichts zu tun hat. Ich glaube nicht an Wunder oder Übersinnliches, auch wenn mich trotzdem Geschichten davon faszinieren. Und in mein rational denkendes Hirn will einfach die Existenz eines Gottes nicht passen. Der Mann auf der anderen Seite des Vorhangs schweigt eine Weile, bevor er zögernd antwortet:
«Ich habe ihn gesehen!»
Damit habe ich am allerwenigsten gerechnet, viel eher dachte ich, er würde mir jetzt etwas von Glaubensdingen vorbeten.
«Wie, gesehen?», platze ich verdutzt heraus.
Der Priester zögert, bevor er langsam fortfährt.
«Ich habe bisher niemandem davon erzählt. Es war eine besondere Erfahrung und ich weiß nicht, ob Sie mir das glauben werden...»
Ich hänge so gebannt an seinen Worten, dass ich ihm im Augenblick sogar glauben würde, wenn er mir erzählte, er sei zum Mars geflogen.
«Natürlich werde ich Ihnen glauben!», bestärke ich ihn und platze vor Neugier – vor allem auch, weil es sich um ein Geheimnis handelt, dass er bisher mit niemand anderem geteilt hat. Ich höre, wie der Mann tief durchatmet.
«Ich war in meiner Jugend, sagen wir, auf die schiefe Bahn geraten. Bei einem Überfall wurde ich so schwer verletzt, dass ich ins Krankenhaus eingeliefert und wiederbelebt werden musste. Obwohl mein Leib nicht bei Bewusstsein war, konnte ich alles von oben mitverfolgen. Ich schwebte über meinem Körper und sah zu, wie man mich im Krankenwagen abtransportierte und die Ärzte versuchten, mich mit Elektroschocks wiederzubeleben. Dann sah ich ein helles Licht, das so viel Liebe ausstrahlte, wie ich sie in meinem Leben nie gespürt hatte. Unsere Sprache verfügt nicht über Worte, die das ausdrücken könnten, was ich fühlte. Man kann sagen, es herrschte absolute Ruhe und absolutes Licht um mich herum. Ich spürte, dass ich viele Fehler in meinem Leben begangen hatte, aber das Licht verurteilte mich nicht. Ich fühlte mich unendlich glücklich und wollte hier bleiben, aber das Licht schickte mich mit der Mission zurück, meinen Mitmenschen Gottes Liebe zu vermitteln.»
Die Geschichte wühlt mich auf und ich brauche eine Weile, um die vielen Informationen darin zu verarbeiten. Es ist zum einen schwer vorstellbar für mich, dass ein Priester wie er einmal so was wie ein Krimineller war. Außerdem klingt seine Geschichte über das Licht wirklich zu fantastisch.
«Sie halten mich jetzt sicherlich für verrückt!», fügt er nach einer Weile des Schweigens hinzu.
«Nein, absolut nicht! Ich habe schon von solchen Erlebnissen gehört. Ich glaube, man nennt das Nahtoderfahrung. Es gibt viele Erklärungen für so was, wie zum Beispiel der Sauerstoffmangel im Gehirn!»
«Der Sauerstoffmangel kann wohl nicht erklären, wie ich mich von oben sehen konnte!», antwortet er leicht distanziert.
«Nein, sicherlich nicht und ich glaube Ihnen natürlich! Die Wissenschaft versucht immer alles zu begründen, das heißt aber nicht, dass sie in allem Recht hat!»
«Als ich den Ärzten Andeutungen davon gemacht habe, kamen sie mir auch gleich mit Erklärungen, aber Sie können sich das nicht vorstellen, weil es in unserer Sprache keine Worte dafür gibt, wie man sich fühlt. Alles ist plötzlich so klar und gestochen scharf, man kann Personen heranzoomen und davon schweben und verfügt über ein allumfassendes Wissen. Jeder, der das erlebt, zweifelt nicht mehr an der Existenz von Gott!»
«Und deshalb sind Sie Priester geworden?»
«Ja, auch! Ich wollte mein Leben von Grund auf ändern. Ich lebte damals noch in einem Waisenhaus, interessierte mich für schnelle Autos, Geld, Frauen und Drogen. Die Gefühle meiner Mitmenschen interessierten mich wenig. Die Liebe des allumfassenden Lichts hat mich vollkommen
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