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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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Couturier handelte, der die unverhoffte Möglichkeit gehabt hatte, Schiffbrüchige aus Seenot zu retten! Seine Mutter sagte von ihm: »Der Junge kann anpacken!« und: »Bei ihm dauert's nicht lange, bis er Jungmann wird!«
    * Vaillant-Couturier: Französischer Publizist und Politiker (Anm. d. Übs.)
    Aber vorerst war er der Moses, das heißt der Prügelknabe an Bord. Das war die Sitte, und sein großer Bruder, der Kapitän des Fischkutters war, hatte weniger noch als andere das Recht, Mitleid zu zeigen.
    Für uns bedeutete das einen Feind weniger im Dorf. Aber selbst auf fünf reduziert, hielten die Gebrüder Lozerech uns, meine Schwester und mich, nach wie vor für Pißnelken in unserer Eigenschaft als Mädchen und für eingebildete Gänse in unserer Eigenschaft als Pariserinnen. Zumal ich George hieß. »George ohne s«, stellte meine Mutter jedesmal klar, die mich auf dem Altar ihrer Jugendleidenschaft für Indiana von George Sand geopfert hatte. Meine jüngere Schwester, die seelenruhig Frédérique hieß und die ich »Frédérique mit Tick« nannte, um mich zu rächen, warf mir vor, daß ich mich wegen meines Vornamens schämte. Und es stimmte auch, daß ich viel dafür gegeben hätte, den Spott und vor allem die Fragerei jedesmal bei Schulbeginn zu vermeiden, wenn »die Neuen« sich erst an meine Besonderheit gewöhnen mußten. Kinder sind erbarmungslos gegenüber allem, was aus der Reihe tanzt. Erst als erwachsene Frau habe ich meiner Mutter meinen Namen verziehen.
    In der Privatschule Sainte-Marie war es in dieser Hinsicht weniger schlimm als auf dem Land. Man durfte sich auf George Sand beziehen, wenngleich sie nicht gerade im besten Ruf stand. Immerhin hatte sie einiges wiedergutgemacht mit dem idyllischen Teufelsmoor oder der Kleinen Fadette, zwei Jugendbuchklassikern, und später dann, indem sie zur gütigen Herrin von Nohant wurde. In Raguenès aber war mein Name die unerschöpfliche Quelle von bösartigen Späßen. Man konnte sich nicht daran gewöhnen, oder vielmehr, man weigerte sich, auf ein so ergiebiges Thema zu verzichten. Ich wurde nur noch George Ohne-es genannt. Hinzu kam, daß meine Eltern nicht in der Zone der Sommerhäuser, sondern mitten in diesem Bauern- und Fischerdorf logierten, wo wir den einzigen Mißklang darstellten. Die »Strandpyjamas« meiner Mutter, die großen Baskenmützen, mit denen sich mein Vater schmückte, und seine Tweedknickerbocker lösten unweigerlich Heiterkeit aus. Die Lausbuben im Dorf wagten es nicht, vor meinen Eltern in Gelächter auszubrechen, aber sobald sie als ganze Bande auftraten, besannen sie sich, die Lozerechs allen voran, auf ihre natürliche Überlegenheit als Pimmelträger, und von weitem scholl uns das Liedchen entgegen, dessen Schwachsinn uns ein hochmütiges Lächeln hätte entlocken sollen, das uns aber maßlos ärgerte:
    Die Pariser sind blöde Affen! Die Pariser sind dumme Laffen.
    Wenn man Kind ist, sind die dümmsten Späße oft die besten. Wir rächten uns, wenn unsere Folterknechte auf ein oder zwei Exemplare reduziert waren. Gemeinsam stellten sie den Mann als solchen dar. Einzeln waren sie nur noch ein Kind, das einem anderen Kind gegenüberstand, oder schlimmer, ein Bauernjunge, der einem Mädchen aus der Stadt gegenüberstand. Gauvain war nie zu uns ins Haus gekommen. Es war im übrigen kein Haus in seinen Augen, sondern eine lächerliche Villa, um so lächerlicher, als sie ein Strohdach besaß, wo doch alle Einwohner des Dorfes nur eins im Sinn hatten: über ihrem Kopf ein normales Dach, ein Schieferdach, zu haben. Das Originalstroh vom handgedroschenen Roggen, das mit viel Mühe und für viel Geld beim allerletzten Strohdachdecker der Gegend besorgt worden war, schien ihnen dem gesunden Menschenverstand hohnzusprechen. Ein so banaler Satz wie »Komm mit zu uns Kakao trinken« oder später »Komm, trinken wir bei uns ein Glas« war undenkbar zwischen uns. Yvonne dagegen, die in meinem Alter war, lud ich häufig zum Spielen zu uns ein. Natürlich konnten wir uns aber auf den Bauernhof begeben, dessen unaufhörliche Betriebsamkeit und Unordnung uns als der Inbegriff der Freiheit vorkamen: Da lagen überall die Kleider der acht Kinder herum, die verdreckten Holzschuhe standen im Flur beim Eingang, Hunde und Katzen bevölkerten den Innenhof, der mit zusammenengebastelten Kaninchenställen und undefinierbarem Ackergerät vollgestellt war (man konnte sich nicht vorstellen, daß es jemals wieder eingesetzt werden könnte, aber einmal im Jahr

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