Samantha Dyson 02 - Verhängnisvolle Jagd
Langsam zogen sich die Jugendlichen in ihre Zelte zurück, bis die Wochenendgruppe wieder unter sich war. Unsicher blickten sich die Teilnehmer an, doch keiner traute sich etwas zu sagen.
Einige Minuten später tauchte plötzlich ein kleiner, dicklicher Mann in Rangeruniform und mit einem Gewehr in der Hand im Lager auf. Er war grauhaarig und bestimmt schon jenseits der fünfzig. Er setzte ein freundliches Lächeln auf und trat vor die Gruppe. »Sind alle da?« Hinter ihm standen eine ebenfalls weiße Frau etwa in seinem Alter und ein Schwarzer in Nationalparkuniform, der ebenfalls mit einem Gewehr bewaffnet war.
»Ja.« Bis auf den Ranger waren sie alle schon seit Stunden hier.
»Gut, ich würde Sie bitten, nur noch diese Formulare hier auszufüllen.« Er warf einen Stapel Blätter auf den Tisch. »Ach so, ich bin übrigens Jim. Nachdem ich einige Regeln bekannt gegeben habe, kann’s direkt losgehen. Wir sind spät dran, deshalb müssen wir uns etwas beeilen.«
Laurel verzog den Mund. Normalerweise waren acht Kilometer in zwei oder drei Stunden zu schaffen, aber sie wusste ja nicht, welche Bedingungen da draußen herrschten. Oder auf was für Tiere sie während ihrer Wanderung stießen. Natürlich brauchte sie gutes Material für ihre Reportage, andererseits wollte sie den Tieren hier in der Wildnis nicht unbedingt zu nahe kommen. Zur Not könnte sie auch noch etwas dazudichten, um den Bericht etwas aufregender zu gestalten. Fantasie hatte sie ja genug. Ihre Lippen kräuselten sich amüsiert. Laurel sah auf das gefaltete, doppelseitig beschriftete Papier hinab, dann zog sie einen Stift aus ihrer Westentasche und machte sich daran, so gut sie es konnte, die Fragen zu beantworten. Nach einer Weile bemerkte sie, dass Rey neben ihr gar nicht schrieb, sondern auf ihr Blatt schaute.
Mit hochgezogener Augenbraue blickte sie ihn an. »Sind Sie etwa schon fertig?«
»Nein.« Obwohl sie ihn gerade ertappt hatte, wirkte er nicht verlegen.
»Warum schreiben Sie dann nicht, anstatt bei mir mitzulesen?«
»Ich habe keinen Stift.« Rey grinste entwaffnend. »Außerdem bin ich furchtbar neugierig.«
»Das habe ich bemerkt.« Es lag nur eine sanfte Ironie in ihren Worten. Sie zog einen zweiten Stift aus ihrer Westentasche und reichte ihn Rey. »Hier, jetzt können Sie schreiben.«
»Danke.« Damit beugte er den Kopf über das Papier und fing an, die Fragen zu beantworten.
Laurel bemühte sich, nicht auch bei ihm zu spionieren, was er zweifellos erwartete. Neugierig war sie durchaus, schon von Berufs wegen, aber dieses eine Mal bezwang sie ihre Neugier. Sie wollte nicht, dass Rey bemerkte, wie sehr sie sich tatsächlich für ihn interessierte. Sie wüsste schon gerne mehr über ihn, wo er herkam, was er beruflich machte, aber sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen. Wäre sie zu Hause in Atlanta, dann … Sie schüttelte den Kopf. Lieber gar nicht erst darüber nachdenken.
Als sie fertig war, legte sie das ausgefüllte Formular auf den Tisch, steckte den Stift wieder ein und lehnte sich zurück. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Rey. Seinen kräftigen, hochgewachsenen Körper hatte sie schon vorher insgeheim bewundert, aber auch sein Gesicht war nicht zu verachten. Die markanten Gesichtszüge passten sehr gut zu seinem muskulösen Körper, die Bräune deutete an, dass er sich viel im Freien aufhielt. In überraschendem Kontrast zu seiner Hautfarbe standen die hellgrünen Augen, die im Gegensatz zu seiner sonst so entspannten Haltung ständig in Bewegung waren. Die braunen, zu einem kurzen Zopf gebundenen Haare fügten sich harmonisch in sein Erscheinungsbild. Eigentlich mochte sie bei Männern keine langen Haare, aber ihm standen sie. Mühsam riss Laurel den Blick von ihrem Sitznachbarn los und betrachtete die Umgebung.
Mit einem Nicken gab Rey ihr wenig später den Stift zurück und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Ranger zu, der gerade die Formulare einsammelte.
Jim schrieb die Namen der Tourteilnehmer in ein kleines Buch, dann blickte er auf. »Okay, Leute, hier kommen meine drei Regeln für unsere Tour.« Er hielt eine Faust in die Höhe und hob einen Finger. »Regel Nummer eins: Ihr folgt alle meinen Befehlen. Das heißt, wenn ich etwas sage, dann macht ihr das, und zwar unverzüglich und ohne Fragen zu stellen. Da draußen sind gefährliche Tiere, und Nkosi, unser Guard hier, und ich sind die Einzigen, die zwischen euch und ihnen stehen. Es macht keinen Sinn, euch ausführliche Anweisungen darüber
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