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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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hatte er den Verdacht geschöpft, dass Fritzo Rübsam, der sich großmäulig Doctor medizinae nannte, des Lesens und Schreibens gar nicht kundig war. Nun hatte er den Beweis: Mehrere Ratschläge, die der Arzt erst kürzlich, nach angeblich langem Studium in seiner Kammer, erteilt hatte, waren grundfalsch gewesen. Rübsam war nichts weiter als ein übler Ohrenblaser und Schwindler, der ihn, Falk, nur deshalb in seinen Dienst genommen hatte, damit er ihm, wie zuvor Bertschie, die schmutzige Arbeit mit dem Blut und dem Eiter abnahm.
    Was sollte er jetzt tun? Jagte man ihn aufgrund des Eidbruchs mit Schimpf und Schande davon, ging ihm Mäzli für immer verloren. Richtete er das Türschloss wieder und beließ alles beim Alten, nahm er es billigend in Kauf, dass weitere Menschen zu Tode kamen.
    Falk von Hagelstein stand an einer neuen Wegscheide.

    Dass ich das Krumme grade nenne
    und Unrecht gar für Recht erkenne –
    mein Lebtag glaub` ich nicht daran,
    und täte man mich in den Bann ...

    Als Rübsam zurückkam, gramgebeugt, denn die Verstorbene war seine Schwester gewesen, fasste sich Falk ein Herz. Er schilderte freimütig seinen Eidbruch, verschwieg aber sein Wissen um Rübsams Rolle als Scharlatan. Er habe das Müllerskind nicht sterben lassen wollen, erklärte er dem Meister, denn das war die Wahrheit.
    Entgegen Hagelsteins Befürchtung brauste Rübsam nicht auf. Den Mund leicht geöffnet, sah er seinen Lehrjungen nachdenklich an. Dann schickte er Mäzli hinaus, die mit vor Aufregung roten Wangen und einem glühenden Bügelstein in der Hand, mit dem sie das Reisegewand hatte glätten wollen, unter der Tür stand.
    Falk hatte sofort gespürt, dass Rübsam etwas Übles im Schilde führte, aber nicht im Entferntesten geahnt, welch Scharlatanerie den Mann beschäftigte.
    Endlich räusperte sich der Alte. „Nun, Junker Falk, Ihr seid eidbrüchig geworden. Eigentlich müsste ich Euch noch heute aus dem Haus prügeln, und ich würde es auch auch tun, des seid gewiss. Es sei denn ...“
    „Ja, Meister?“ Für einen Lidschlag hatte Falk gehofft, dass Rübsam die Gelegenheit nutzte, zukünftig ihm die Verantwortung für das Hortolus zu übertragen. Schließlich wurden die Augen jedes alten Menschen irgendwann schlechter. Doch es kam anders:
    „Ich trage Euch eine schwere Aufgabe an“, sagte Rübsam, jedes einzelne Wort betonend, „die Euch indes, wenn Ihr sie zufriedenstellend erledigt, fortan guten Lohn bei mir einbringt. Schlagt Ihr sie aus, dann sucht noch in dieser Stunde das Weite. Ihr habt keine Bedenkzeit. Sagt auf der Stelle ja oder nein.“
    Hagelstein dachte an Mätzlis Veilchenaugen und stimmte zu, worauf Fritzo Rübsam unangenehm nahe an ihn heranrückte, dann jedoch vor ihm die Augen niederschlug.
    „Reitet morgen, bei Tagesanbruch, auf die Burg Teufelstein“, raunte er ihm zu. „Graf Bodo wird Euch alles Weitere erklären.“
    Falk bemerkte, dass Rübsams Hände zitterten, als er sein Barett abnahm. Das kam ihm merkwürdig vor. „Ich werde die neue Aufgabe guten Mutes angehen“, versprach er seinem Lehrherrn.
    Eingeschlagen in ein dunkles Tuch und zwiefach geschnürt, überreichte ihm der Alte im Morgengrauen ein Bündel. „Nehmt das mit, Junker, Ihr werdet es vielleicht brauchen“, sagte er ernst, die Stirn schweißbedeckt. Und wieder war es Falk so vorgekommen, als vermiede Rübsam es, ihm offen in die Augen zu sehen ...

    Was war das?! Falk schrak auf, als ein mächtiges Flattern und Brausen über seinem Kopf einsetzte. Adler! Nicht einer, nicht zwei oder drei ... neun waren es, die mit weit ausgespannten Flügeln und durchdringendem Geschrei über dem kugelförmigen Puèg kreisten. Die neun Plagen? Oder die neun Ordensgründer der Tempelritter?
    Hagelstein verstand. Er schulterte den Beutel und machte sich auf den Weg nach unten, zumal die Sonne noch immer auf sich warten ließ. Beim Aufstieg hatte er gesehen, dass in der Nähe des Weilers Linas, am Fuße knorriger Bergeichen und teils verdeckt von Ginstergerank Heilkräuter wuchsen. Zwar besaßen die Jungpflanzen die größte Heilkraft, aber es konnte nicht schaden, sich einen kleinen Vorrat von dem zuzulegen, was noch brauchbar war.

6.

    Am Tag vor dem Fest des Heiligen Dionysius kehrte der Narr nach Collioure zurück. Sancha, die schon um ihn gebangt hatte, rief ihn, kaum dass er die Reisekleidung abgelegt hatte, in ihre Kemenate. „Ich muss sofort mit dir reden“, sagte sie, noch während er das Knie vor ihr beugte. Dann sprudelte es

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