Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
nackten Füßen trug, hinaus, nicht ohne noch einmal gewichtig mit den eisernen, silberverzierten Schlüsseln zu klappern, die an ihrem Gürtel hingen.
Die Suppe dampfte vor sich hin. Sancha sah Pedro auffordernd an. Endlich erhob er sich und setzte sich an den Tisch. Er roch an der Suppe, zog angewidert die Nase hoch, obwohl sie appetitlich und würzig nach Huhn, Rübchen und Kräutern duftete, und schob die Schüssel ans andere Ende des Tisches. Dann legte er seine Hände, die Sancha ganz heiß vorkamen, über die der Schwester und erkundigte sich nach dem Stand der Dinge in Toulouse.
Sancha erstattete ihm ausführlich Bericht.
„Aber nun zu dir, Bruder“, fuhr sie fort „Du bist ganz verändert. Was ist los mit dir? Weich mir nicht aus!“
Der König gab sich geschlagen. „Ich habe meinen Sohn als Geisel zu Montfort geschickt“, sagte er bedrückt. „Die Königin ist schier außer sich vor Zorn.“
Sancha schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Aber Pedro, bist du verrückt geworden? Du lieferst einen dreijährigen Knaben, obendrein deinen Erben, Montfort aus? Du bist doch der Oberlehnsherr von Carcassonne. Montfort sollte dir untertan sein, dir seinen Sohn schicken, nicht umgekehrt. Ich flehe dich an, Pedro, sag mir, warum hast du das getan?“
„Mach du mir nicht auch noch Vorwürfe!“, polterte Pedro los. „Mein Handeln hatte ausschließlich politische Gründe, die ich Marie und auch nicht dir, meiner Schwester, darlegen muss. Und war nicht dein Gemahl Roç ebenfalls für einige Zeit Geisel in der Hand der Kreuzfahrer? Und ist er seinerzeit vielleicht nicht gesund nach Toulouse zurückgekehrt?“
Sancha runzelte die hohe Stirn. Obwohl es in Pedros Gemach kühl und schattig war, denn die Abendsonne war schon weitergewandert, schwitzte der Bruder.
„Ach, Sancha, du bist mein bester Freund“, sagte er plötzlich mit ungewohnt verzagter Stimme. „Ich bin froh, dass du hier bist und ich mit dir reden kann. All die Granden und Höflinge, Schreiber und Herolde, die mich täglich umschwirren, mir raffinierte politische Winkelzüge aufzeigen, neue Strategien entwickeln oder mir langweilige Vorträge über die Kunst der Beredsamkeit halten ... So sieh mich nicht so verwundert an, Sancha, ja, sie zitieren inzwischen selbst Aristoteles und legen mir nahe, bestimmte Kunstfertigkeiten auch in meiner Rede anzuwenden - jedoch ohne, dass man dies merke ...“ Pedro lachte fast verzweifelt auf. „Weißt du, meine Rede soll nicht als verfertigt, sondern völlig natürlich erscheinen, sagen sie. Ich frage dich ernsthaft, Sancha, ist Ihnen die glühende Liebe, die ich für mein Land und meine Untertanen empfinde, plötzlich zu wenig, und ist ihnen die Wahrheit, die ich im Munde führe, nicht mehr glaubwürdig genug? Und als ob das alles nicht reichte, wirft mir seit kurzem mein Kämmerer vor, zu verschwenderisch zu sein.“ Er machte eine hilflose Gebärde. „Zu verschwenderisch! Ich! Bei der Heiligen Jungfrau, der ganze Hof erregt derzeit meinen Abscheu. Die Alten begreifen noch immer nicht, dass ich nicht wie mein Vater bin. Und die Jungen haben nicht mein, sondern ihr eigenes Fortkommen im Sinn.“
Pedro seufzte so tief auf, dass Sancha schon befürchtete, er versinke im nächsten Augenblick in seinem See aus Selbstmitleid.
Er erhob sich und trat an das mittlere der drei hohen Bogenfenster. „Ich bin Pedro von Aragón“, sagte er, die Arme theatralisch ausgebreitet, „der Zweite meines Namens. Gott ist mit mir, aber darüber hinaus ... darüber hinaus bin ich ein einsamer Hund!“
Sancha spitzte den Mund. Nur mit Mühe konnte sie ein Schmunzeln unterdrücken. Solche Anwandlungen kannte sie allerdings bei ihm. Sie selbst war nicht frei von ihnen. Nun, vielleicht war sie gerade zur rechten Zeit gekommen, um ihm zu helfen. Sie stand ebenfalls auf, trat auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange. Er trug sein Haar noch ein Stück kürzer als beim letzten Mal. Auch das ein Zeichen für einen Neubeginn?
„Ich bedaure dich zutiefst", lachte sie leise, dann zitierte sie: " Die Fürsten ähneln Eseln sehr, sie folgen nur der Peitsche! “
Pedro drehte sich überrascht zu ihr um. „Ah, du hast Hagelstein schon gesehen?“
„Ja. Aber er sagt auch, dass die Einsamkeit und fehlende Freunde das Los eines jeden Herrschers seien. Du jedoch, Pedro, du hast Macht und Mut – und gute Freunde!“
„Mut? Spotte meiner nicht. Am liebsten würde ich Schild und Speer von mir werfen und mit deinem Narren in die
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