Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Sancha, jene Zeile aus dem Hohen Lied zu zitieren, in der es hieß: Mein Geliebter ist in seinen Garten hinabgegangen zu den Balsambeeten, um in den Gärten zu weiden und Lilien zu pflücken ... doch eine ungewohnt schamhafte Scheu hielt sie zurück. So drückte sie nur stumm Leonoras Hand.
Die Schwester lächelte ihr zu. „Zuhause ist es doch am schönsten, nicht wahr?“
Sancha nickte.
Gemächlich schlenderten die Gräfinnen und ihre Damen an den plätschernden Wasserläufen vorbei, die sie zum Großen Brunnen führten. Dort entblößten sie ihre Arme, hingen sie weit ins Wasser hinein, um sich abzukühlen, betupften ihre Gesichter, spritzten sich gegenseitig nass, girrten und lachten, so dass die Vögel, die in den benachbarten Kornelkirschbäumen saßen, schimpfend davonflogen.
Mit einem Mal jedoch bekamen zwei ältere Hofdamen runde Augen. „Zibelda!“ Ein Raunen und Zischen setzte ein. Ärmel wurden heruntergerollt, Hände rasch am Gewand abgetrocknet, Schleier und Stirnreife zurechtgerückt.
Die Amme stand unter dem erkerartigen Vorbau, der vom Hof ins Castillo führte. Dünn war sie, die alte Frau, zerbrechlich, und wie immer ganz in Schwarz gekleidet. Streng sah sie den Frauen entgegen, doch als sie Leonora und Sancha in die Arme schloss, liefen ihr vor Freude die Tränen über die Wangen.
Sie geleitete die Ankömmlinge in die nördliche Säulenhalle, wo vor dem Mihrab, der ehemaligen Gebetsnische der Mauren, Erfrischungen aufgebaut waren. Hier war es aufgrund des Marmorbodens und der schlanken, reich mit filigranem Stuck verzierten Doppelsäulen, durch die ein Windhauch strich, angenehm kühl.
Pedro von Aragón residierte getrennt von seiner Gemahlin Marie im großen Wohnturm des Castillos, dem Torreón de la Zuda.
Zibelda hatte Sancha bereits auf die angegriffene Gesundheit ihres Bruders hingewiesen, dennoch erschrak sie über sein verhärmtes Aussehen. Sie hatte sich besonders schön gemacht für ihn, und nach dem Bad ein leichtes Surcot aus honiggelber, fließender Seide angelegt, das mit weißen Schmetterlingen bestickt war.
Als die Pagen sie einließen, lag der König ausgestreckt auf seinem Spannbett. Er trug einen knöchellangen weißen Bliaud und ein leidendes Gesicht. Seine Augen wiesen Ringe auf, fast so dunkel wie sein kurzgehaltener Bart.
„Friede sei mit dir, lieber Bruder“, sagte Sancha zärtlich und trat näher.
Pedro erhob sich, um sie zu umarmen, ließ sich aber sofort wieder niedersinken.
„Was ist mit dir, Bruder? Bist du krank? Plagt dich ein Fieber? Bedrücken dich Sorgen?“
Pedro zuckte indes nur die Achseln. Er sprach kein Wort, starrte auf die in kräftigen Farben bemalte Täfelung der Wand, wo in arabischen Lettern die Sancha seit ihrer Kindheit bekannten Worte standen:
Gott ist mit den Großzügigen.
Wer großzügig ist, erntet Großzügigkeit.
Sie ließ es sich nicht anmerken, aber sie war beunruhigt.
Zibelda, die mit ihr hereingekommen war, um Pedro eine Olla poderida zu bringen, machte sich auffallend lange an den Zitronenbäumen zu schaffen, die in den Fensternischen standen. Sie zupfte an ihnen herum, verrückte die schweren Kübel, in die man die Bäumchen vor Jahren gepflanzt hatte, wobei sie sich jedes Mal leise stöhnend ins Kreuz fasste.
„Du musst dich nicht so plagen, Zibelda“, sagte Sancha. „Dafür sind andere da.“ Doch die Amme ignorierte ihre Worte, pflückte die wenigen reifen Früchte, die die Bäume in diesem Jahr trugen und legte sie auf eine Silberschale.
„Bitte, Zibelda, lass uns jetzt allein“, setzte Sancha nach.
„Sofort, mein Täubchen, sofort“, antwortete ihr die Amme beflissen. „Ich muss den Zitronenbäumen nur noch Wasser geben. Die Mägde vergessen ständig darauf.“
Sancha seufzte. Zibeldas Verhalten war jedoch nicht nur der Neugierde alter Frauen geschuldet, ihre Sorge um Pedro war aufrichtig. Sie liebte ihn wie einen eigenen Sohn. Doch mit ihrem ewigen Herumschleichen brachte sie ihn oft auf. Auch die Alfaquim schimpften über sie , seine jüdischen Gelehrten und Berater, die sich selbst sehr wichtig nahmen und es nicht dulden wollten, dass die Alte den König ständig überwachte.
Es dauerte und dauerte, bis das letzte Bäumchen gegossen war. Erst als Sancha spöttisch, aber sehr deutlich meinte, dass brave Weiber für gewöhnlich keine Ohren hätten, strich sich die kleine Frau verlegen lächelnd über ihren Schnurrbart und schlurfte in ihren maurischen Caloxtes, die sie tagein, tagaus an ihren
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