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Sandkönige - Geschichten

Sandkönige - Geschichten

Titel: Sandkönige - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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kann dazu führen, selbst ein stärkstes Fundament zu zerrütten.
    Der Bischof und ich arbeiteten Hand in Hand, um weitere Zweifel zu säen. Das war nicht so einfach, wie ich geglaubt hatte. Die Lügner hatten gute Arbeit geleistet. Ammadon besaß, wie die meisten zivilisierten Städte, einen großen Vorrat an Wissen, ein Computersystem, das Schulen, Universitäten und Bibliotheken miteinander verband und seine geballte Weisheit jedem zugänglich machte, der sie benötigte.
    Und als ich das überprüfte, fand ich bald heraus, daß die Geschichte Roms und Babylons geschickt verändert worden war, und daß es für Judas Iskariot drei Stichworte gab — eins für den Erobererkönig von Babylon. Außerdem wurde sein Name im Zusammenhang mit den Hängenden Gärten erwähnt, und es gibt eine Eintragung  für den sogenannten Kodex Judae.
    Und die Bibliothek von Ammadon behauptete, die Drachen wären auf der alten Erde etwa um die Zeit Christi ausgestorben.
    Wir merzten schließlich alle diese Lügen aus, wischten sie aus dem Gedächtnis der Computer, obgleich wir Autoritäten auf einem halben Dutzend nichtchristlicher Welten zitieren mußten, ehe die Bibliothekare und Akademiker einsahen, daß die Unterschiede mehr als nur eine Frage der religiösen Präferenz waren.
    Inzwischen war der Orden des heiligen Judas im grellen Licht der Öffentlichkeit verwelkt. Lukyan Judasson war hager und ärgerlich geworden, und mindestens die Hälfte seiner Kirchen waren geschlossen.
    Natürlich starb die Häresie nie vollständig aus. Es gibt immer solche, die glauben, egal was. Und so liest man auf Arion in der Porzellanstadt Ammadon unter murmelnden Flüsterwinden bis auf den heutigen Tag  
    Der Weg von Kreuz und Drachen.
    Arla-k-Bau und die Wahrheit Christi brachten mich ein Jahr nach meiner Abreise nach Vess zurück, und Erzbischof Torgathon genehmigte mir endlich den Urlaub, um den ich gebeten hatte, ehe er mich erneut aussandte, um weitere Häresien zu bekämpfen. Ich hatte also meinen Sieg, die Kirche machte weiter wie bisher, und der Orden des heiligen Judas Iskariot war gründlich zerschlagen. Der Telepath Johannes Azure Kreuz hatte sich geirrt, glaubte ich damals. Er hatte die Macht eines Ritters der Inquisition sträflich unterschätzt.
    Später fielen mir allerdings seine Worte wieder ein.
    Du kannst uns nichts tun, Damien.
    Uns?
    Dem Orden des heiligen Judas? Oder den Lügnern?
    Ich glaube, er log bewußt, obgleich ihm klar war, daß ich den Weg von Kreuz und Drachen zerstören würde, obgleich ihm außerdem klar war, daß ich die Lügner nicht greifen konnte, daß ich es nicht einmal wagen würde, sie zu erwähnen. Wie hätte ich auch? Wer hätte mir geglaubt? Eine gewaltige, die Sterne umspannende Verschwörung, so alt wie die Geschichte? Es riecht nach Wahnsinn, und ich hatte überhaupt keinen Beweis.
    Der Telepath log zugunsten von Lukyan, damit er mich gehen lassen würde. Dessen bin ich mir heute sicher. Kreuz riskierte viel, um mich zu umgarnen. Als ihm das nicht gelang, war er bereit, Lukyan Judasson und seine Lüge zu opfern, Schachfiguren in einem größeren Spiel.
    So reiste ich ab und nahm die Erkenntnis mit, keinen Glauben mehr zu haben, bis auf den an die Wahrheit — eine Wahrheit, die ich in meiner Kirche nicht mehr finden konnte.
    In dem Jahr, in dem ich lesend und studierend auf Vess, Cathaday und auf Celias Welt Urlaub machte, wurde ich mir dessen sicher. Am Ende stand ich wieder einmal in meinen allerschlechtesten Stiefeln im Empfangszimmer von Torgathon Nine-Klariis Tun. »Mein Lordkomtur«, sagte ich zu ihm, »ich kann keine weiteren Aufträge mehr übernehmen. Ich bitte darum, aus dem aktiven Dienst ausscheiden zu dürfen.«
»Weshalb?« knurrte der Erzbischof und spritzte wild um sich.
    »Ich habe den Glauben verloren«, erwiderte ich schlicht.
    Er blickte mich lange aufmerksam an und blinzelte mit seinen pupillenlosen Augen. Endlich sagte er: »Ihr Glaube geht nur Sie und Ihren Beichtvater etwas an. Mich interessieren lediglich Ihre Ergebnisse. Sie haben  gute Arbeit geleistet, Damien. Sie dürfen sich nicht zur Ruhe setzen, und ich erlaube Ihnen nicht, zu resignieren.«
    Die Wahrheit wird uns freisetzen.
    Aber Freiheit ist kalt und leer und beängstigend, und Lügen können oft warm und schön sein.
    Letztes Jahr hat die Kirche mir ein neues Raumschiff zur Verfügung gestellt. Ich habe es Drache getauft.
    *   *   *   *
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Wolfgang

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