Sandra und die Stimme der Fremden
Auftraggeber zu beschreiben.
„Es war eine Frau am Apparat“, versicherte sie. „Ich erinnere mich deshalb so genau, weil ich sie mit Herr Arnold anredete. Aber die Kundin berichtigte mich und betonte, daß sie Frau Arnold und Witwe sei.
„Wieso hatten Sie Frau Arnold mit einem Mann verwechselt?“ wollte Florian Seibold wissen.
„Weil ihre Stimme männlich klang. Es war eine heisere, dunkle, ein bißchen brummige Stimme, wie von einem starken Raucher, würde ich sagen.“
Herr Seibold horchte auf. Er wußte, daß Frau Arnolds Stimme dunkel und männlich klang.
„Würden Sie die Stimme wiedererkennen?“ fragte er.
Die junge Dame zögerte. „Das... weiß ich nicht. Ich habe mich ja nur kurz mit ihr unterhalten. Sie gab mir ihren Auftrag und Name und Adresse durch. Ich habe die Bestellung sicherheitshalber wiederholt... Das tun wir immer, um Irrtümer zu vermeiden... Und das war alles.“ Das Mädchen blickte Florian Seibold ratlos an. „Ich verstehe deshalb nicht, daß ich die Anschrift verkehrt geschrieben haben soll. Ich habe alles so notiert, wie Frau Arnold es mir aufgetragen hat.“
„Vielleicht hast du sie mit einem anderen Auftrag verwechselt?“ meinte ihre Mitarbeiterin, die die Reklamation mitgehört hatte.
Die Blonde schüttelte energisch den Kopf. „Quatsch! Ich übertrage jede Bestellung sofort auf ein Auftragsformular. Außerdem hätte dann der andere Kunde...“ Sie unterbrach sich und sagte: „Die Kundin gibt an, überhaupt nichts von einer Bestellung zu wissen! Was mache ich jetzt?“
„Frag den Chef“, riet ihr die Mitarbeiterin.
Die Blonde stand seufzend auf und sammelte ihre Unterlagen ein.
Doch Florian Seibold hielt sie zurück. „Ich brauche auch Draht und behalte die Lieferung. Ich muß Sie nur bitten, meinen Namen auf die Rechnung zu setzen. Ich bezahle sie gleich an der Kasse.“
Die beiden jungen Damen blickten ihn überrascht und mißtrauisch an. Herrn Seibolds Verhalten kam ihnen merkwürdig vor. Weshalb veranstaltete der Kunde erst einen solchen Wirbel um die Lieferung, wenn er sie dann behalten und bezahlen wollte? Der Firma war es schließlich egal, wer die Rechnung beglich.
„Sie bekommen eine Quittung an der Kasse. Das genügt. Wichtig ist nur die Auftragsnummer, und die steht auf dem Lieferschein“, sagte die Blonde ärgerlich.
Du hast dich ziemlich ungeschickt benommen, Florian, dachte Herr Seibold, während er mit dem Lieferschein zur Hauptkasse ging.
Doch wie sonst hätte er Näheres über die Anruferin erfahren können? Es wäre dem Büropersonal noch seltsamer erschienen, wenn er die Rechnung widerspruchslos bezahlt hätte, um dann anschließend zu fragen, wer eigentlich die Lieferung bestellt habe, und wer die Anruferin gewesen sei. Die hätten ihn doch glatt für geistesgestört gehalten.
Als Florian Seibold nach Hause kam, suchte er seine Haushälterin in der Küche auf.
„Sie waren doch am Samstag drüben, Frau Ansbach. Welchen Eindruck machte die Katzen-Marie auf Sie?“ fragte er.
„Keinen anderen als auch sonst immer. Weshalb fragen Sie?“
„Halten Sie es für möglich, daß sie an Verfolgungswahn leiden könnte? Oder daß sie nicht mehr weiß, was sie tut?“
„Wie kommen Sie darauf?“ fragte Frau Ansbach erschrocken. „Nun, Sie haben mir erzählt, daß Frau Arnold eine Torte entgegennahm und sie seelenruhig und vermutlich genüßlich aufaß, obwohl sie angeblich genau wußte, daß sie diese Torte nicht bestellt hatte und auch den Spender nicht kannte.“
„Sie glaubte, es wäre ein Geschenk.“
„Würden Sie ohne weiteres eine Torte annehmen, ohne sich nach dem Namen des Spenders zu erkundigen oder nachzuforschen, ob nicht ein Irrtum vorliegt?“
„Selbstverständlich würde ich die Konditorei anrufen.“
„Eben!“ Florian Seibold schritt nachdenklich in der Küche auf und ab. „Die Katzen-Marie hat Ihnen berichtet, daß ihr noch andere Waren geliefert wurden. Sie hat diese Sachen aber nicht zurückgegeben, nicht wahr? Sie haben sie sogar dabei angetroffen, wie sie ein Päckchen öffnete, obwohl Sie sich Ihnen gegenüber noch kurz zuvor empört über die anonymen Lieferungen gezeigt und behauptet hatte, nichts mehr anzunehmen.“
Frau Ansbach nickte. Das stimmte. Nachdem Sandra und Joschi am Samstag nach Hause gefahren waren, stellte Frau Ansbach fest, daß sie den Lieferschein bei Frau Arnold vergessen hatte. Als sie ihn holte, traf sie die Katzen-Marie dabei an, wie sie ein Päckchen von einem Versandhaus
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