Scarpetta Factor - Thriller
geschickt. Ich kann sie Ihnen zeigen.« Sie griff nach ihrer Handtasche. »Das hätte ich dem Detective vermutlich erzählen müssen. Wie, sagten Sie, heißt er noch mal?«
»Marino.«
»Er brauchte ihre E-Mail-Adresse, weil sie ihre Mails überprüfen wollten. Ich habe sie ihm gegeben, aber natürlich kenne ich ihr Passwort nicht.« Sie kramte nach ihrem Telefon und ihrer Brille. »Als ich Toni am Dienstagmorgen anrief, habe ich sie gefragt, ob sie zu Weihnachten lieber Truthahn oder Schinken essen wolle. Sie meinte, keines von beiden. Sie würde vielleicht für sich Fisch mitbringen, und ich habe geantwortet, dann würde ich mir besorgen, worauf ich Lust hätte. Es war ein ganz alltägliches Gespräch, das sich hauptsächlich um Themen wie dieses drehte. Ihre beiden Brüder kommen nämlich nach Hause. Die ganze Familie auf Long Island.« Die Brille auf der Nase und mit zitternden Händen blätterte sie die Nachrichten auf dem Mobiltelefon durch. »Dort wohne ich nämlich. In Islip. Ich bin Krankenschwester im Mercy Hospital.« Sie reichte Scarpetta das Telefon. »Das hat sie mir gestern Abend geschickt.« Sie nahm noch ein paar Papiertaschentücher aus der Schachtel.
Scarpetta las die Nachricht.
Von: Toni
Versuche immer noch, Urlaub zu kriegen, aber an Weihnachten geht es hier rund. Ich brauche eine Vertretung, doch niemand hat Lust, vor allem wegen der Stunden. XXOO
GB 917-555-1487
Eingegangen: Mitt., 17. Dez., 2 0:07
»Die Nummer, die mit 917 anfängt, ist die Ihrer Tochter?«, fragte Scarpetta.
»Ihre Mobilfunknummer.«
»Könnten Sie mir die Nachricht erklären?« Sie wollte sichergehen, dass Marino davon erfuhr.
»Sie arbeitet nachts und am Wochenende und bemüht sich um eine Vertretung, damit sie über die Feiertage freinehmen kann«, erwiderte Mrs. Darien. »Ihre Brüder kommen.«
»Ihr ehemaliger Mann sagt, sie sei Kellnerin in Hell’s Kitchen. «
»Klar, dass er es so ausdrückt, als würde sie in einem Imbiss arbeiten oder Hamburger braten. Sie ist im High Roller Lanes beschäftigt, einem sehr hübschen Lokal, sehr stilvoll, keine gewöhnliche Bowlingbahn. Später einmal möchte sie ein eigenes Restaurant in einem großen Hotel in Las Vegas, Paris oder Monte Carlo eröffnen.«
»Hatte sie gestern Abend Dienst?«
»Nein, normalerweise nicht am Mittwoch. Für gewöhnlich hat sie von Montag bis Mittwoch frei. Donnerstag bis Sonntag arbeitet sie sehr lange.«
»Wissen ihre Brüder schon Bescheid?«, erkundigte sich Scarpetta. »Ich möchte nicht, dass sie es aus den Nachrichten erfahren.«
»Larry hat es ihnen sicher mitgeteilt. Ich hätte damit ja noch gewartet. Es könnte schließlich eine Verwechslung sein.« »Gibt es vielleicht noch andere Personen, die es nicht in denNachrichten hören sollten?«, fragte Scarpetta so taktvoll wie möglich. »Hatte sie einen Freund? Einen Lebensgefährten?«
»Tja, das habe ich mir auch schon überlegt. Als ich Toni im September zu Hause besucht habe, lagen lauter Stofftiere auf dem Bett, und viele Parfümflaschen standen herum. Auf meine Frage, woher sie die hatte, hat sie sehr ausweichend geantwortet. Und an Thanksgiving hat sie mir den ganzen Tag eine SMS nach der anderen geschickt. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Sie wissen ja, wie Verliebte so sind. Bei der Arbeit lernt sie viele Menschen kennen, und es sind einige attraktive und interessante Männer dabei.«
»Könnte sie sich Ihrem geschiedenen Mann anvertraut und ihm zum Beispiel von einem Freund erzählt haben?«
»Sie standen sich nicht sehr nah. Offenbar begreifen Sie nicht, warum Larry sich so verhält und was er in Wirklichkeit im Schilde führt. Er will es mir nur heimzahlen, indem er dafür sorgt, dass alle ihn für einen liebevollen Vater halten, nicht für einen Säufer und Spielsüchtigen, der seine Familie im Stich gelassen hat. Toni wäre nie mit einer Einäscherung einverstanden gewesen. Und falls es wirklich zum Schlimmsten gekommen sein sollte, werde ich das Bestattungsinstitut beauftragen, das sich um die Beerdigung meiner Mutter gekümmert hat. Levine and Sons.«
»Ich fürchte, die Gerichtsmedizin kann Tonis Leiche erst dann freigeben, wenn Sie und Mr. Darien sich geeinigt haben«, entgegnete Scarpetta.
»Sie dürfen nicht auf ihn hören. Als er ging, war Toni noch ein Baby. Welches Recht hat er, sich einzumischen?«
»Laut Gesetz muss eine Einigung, nötigenfalls vor Gericht, erfolgen, bevor wir die Leiche freigeben können«, wiederholte Scarpetta. »Es
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