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Scarpetta Factor - Thriller

Titel: Scarpetta Factor - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Garten dazu, ein Stückchen Kunstrasen mit Picknicktisch, den er mit seinen Nachbarn teilte. Das war zwar nicht unbedingt ein Palast, aber um einiges stilvoller als das hier. Bei seiner Ankunft vor ungefähr einer halben Stunde hatte er sich so verhalten wie immer an einem Tatort – er hatte sich einen Überblick verschafft, ohne auf Einzelheiten zu achten.
    Nun schaute er gründlicher hin. Mit dem Vorraum fing er an, der gerade genug Platz bot, um sich umzudrehen, und miteinem winzigen Rattantisch möbliert war. Darauf stand ein Souvenir-Aschenbecher von Caesars Palace, in dem Toni vermutlich ihre Schlüssel aufbewahrte. Der Schlüsselbund mit einem silbernen Würfel daran war in der Tasche der Vliesjacke gefunden worden, die sie bei ihrer Ermordung getragen hatte. Vielleicht hatte sie ja von ihrem alten Herrn die Spielleidenschaft geerbt. Marino hatte ihn überprüft. Lawrence Darien war einige Male wegen Alkohols am Steuer verurteilt worden, hatte Insolvenz angemeldet und war vor ein paar Jahren in einen Glücksspielring vor der Küste von Bergen County, New Jersey, verwickelt gewesen. Es gab Hinweise auf Verbindungen zum organisierten Verbrechen, vermutlich zur Mafiafamilie Genovese, doch das Verfahren war eingestellt worden. Der Mann war ein Dreckskerl und Versager, ein ehemaliger Bioelektrik-Ingenieur mit Abschluss am MIT, der seine Familie verlassen hatte und als Vater nicht zu gebrauchen war. Gerade jemandem wie ihm war durchaus zuzutrauen, dass er seine Tochter mit den falschen Leuten bekannt machte.
    Toni erweckte nicht den Eindruck, als habe sie übermäßig viel getrunken. Bis jetzt glaubte Marino auch nicht, dass sie auf Partys und Drogen gestanden hatte. Seiner Ansicht nach traf eher das Gegenteil zu. Sie war diszipliniert, ehrgeizig, fleißig, ausgesprochen sportlich und sehr gesundheitsbewusst gewesen. Auf dem Rattantischchen neben der Tür stand auch ein gerahmtes Foto, das sie bei einem Wettlauf, vielleicht einem Marathon, zeigte. Auf dem Foto war sie hübsch wie ein Model, mit langem dunklem Haar, groß und ein wenig mager. Die typische Figur einer Läuferin, keine Hüften, kein Busen. Mit einem entschlossenen Ausdruck im Gesicht strampelte sie sich auf einer Straße ab, die von anderen Läufern wimmelte. Am Straßenrand standen jubelnde Zuschauer. Marino fragte sich, wer das Foto wohl gemacht hatte und wann es aufgenommen worden war.
    Die Küche befand sich nur wenige Schritte vom Vorraum entfernt. Ein Herd mit zwei Platten, ein Kühlschrank, ein Spülbecken, drei Schränke, zwei Schubladen, alles weiß. Auf der Arbeitsfläche lag ein Stapel ungeöffneter Briefe, so als habe sie noch keine Zeit gehabt, sich damit zu beschäftigen, oder sich nicht dafür interessiert. Marino entdeckte einige Kataloge und Werbebroschüren mit Gutscheinen und ein grellrosa Flugblatt, das den Mietern mitteilte, dass morgen, am 19. Dezember, von acht bis zwölf Uhr mittags das Wasser abgestellt werden würde.
    Daneben befand sich ein Abtropfgestell aus Edelstahl mit einem Buttermesser, einer Gabel, einem Teller, einer Schale und einem Kaffeebecher mit einer Comicfigur aus The Far Side darauf – das Kind von der Midvale School für Hochbegabte, das gegen eine Tür drückte, auf der »Ziehen« stand. Das Spülbecken war leer und sauber, ein Spülschwämmchen und eine Flasche Spülmittel, Marke Dawn, keine Krümel auf der Arbeitsfläche, keine Essensreste, der Parkettboden blitzsauber. Marino öffnete den Unterschrank der Spüle und entdeckte einen kleinen Mülleimer, ausgekleidet mit einem weißen Müllbeutel. Er enthielt eine braune, nach Fäulnis stinkende Bananenschale, einige verschrumpelte Heidelbeeren, einen Behälter, in dem Sojamilch gewesen war, Kaffeesatz und viele Papierhandtücher.
    Als er ein paar davon ausschüttelte, stieg ihm der Geruch von Honig, Zitrusfrüchten und Ammoniak in die Nase. Vielleicht Möbelpolitur und Glasreiniger. Tatsächlich stieß er auf eine Sprühflasche des Glasreinigers Windex mit Zitronenduft und eine Flasche Möbelpolitur, die Bienenwachs und Orangenöl enthielt. Offenbar war Toni sehr ordentlich gewesen, möglicherweise sogar zwanghaft, und hatte zuletzt geputzt und aufgeräumt. Aber wofür hatte sie das Windex benutzt? Marino konnte keine Glasflächen erkennen. Er durchquerte den Raum, spähte durch die Jalousien und fuhr mit dem behandschuhtenFinger über die Scheibe. Die Fenster waren schmutzig und machten nicht den Eindruck, als seien sie kürzlich gereinigt worden.

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