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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Kontakt ab. Während Warhaftig Instrumentenablesungen abruft und Schadrach telemetrische Daten über den Zustand der autonomen Systeme des Vorsitzenden beisteuert, öffnet der Neurochirurg einen Raum für das Einsetzen des Ableitungsventils. Alles verläuft reibungslos. Der Patient fährt fort zu atmen, Blut zu pumpen und die normale Anordnung elektroenzephalographischer Wellen zu erzeugen. An ihm befindet sich jetzt ein Schlauch, der überschüssige cerebrospinale Flüssigkeit in seinen Kreislauf ableitet, ausgestattet mit einem Ventil, durch das die Flüssigkeitsableitung gesteuert werden kann, und einer telemetrischen Sonde, die den Leibarzt ständig über das Funktionieren des Ventils und den Flüssigkeitsspiegel in den Ventrikeln berichtet. Knochen und Haut werden wieder angebracht; der Patient, erschöpft und bleich, aber erleichtert lächelnd, wird aus dem Operationsraum gerollt.
    Warhaftig wendet sich zu Schadrach. »Da wir schon alles vorbereitet haben, können wir gleich zur nächsten Operation übergehen. Einverstanden?« Er ergreift Schadrachs linke Hand. »Sie möchten den Signalgeber hier eingepflanzt haben? Ist das richtig? Aber nicht an der Daumenbasis, wie? Hier, würde ich sagen, mehr zur Mitte der Handfläche. Gut so? Schön. Dann wollen wir sie jetzt desinfizieren und eine örtliche Betäubung machen.«
    Als Schadrach und Nicki zum ersten Mal seit seiner Rückkehr zusammentreffen, sind beide befangen. Er versucht zu lächeln, doch es will ihm nicht gut gelingen, und auch ihre Herzlichkeit wirkt gezwungen.
    »Wie geht es dem Vorsitzenden?« fragt sie schließlich.
    »Er geht der Genesung entgegen«, sagt Schadrach. »Wie gewöhnlich.«
    Sie blickt auf seine verbundene linke Hand. »Und wie sieht es bei dir aus?«
    »Es schmerzt noch. Dieses Implantat war größer und komplizierter als die anderen, aber in ein, zwei Tagen werde ich nichts mehr spüren.«
    »Ich bin froh, daß alles gutgegangen ist.«
    »Ja. Danke.«
    Wieder unterziehen sie sich dem Ritual des gezwungenen Lächelns.
    »Es ist gut, dich wiederzusehen«, sagt er.
    »Ja. Ich freue mich auch.«
    Sie schweigen. Aber obwohl die Konversation ins Stocken geraten ist, bevor sie richtig anheben konnte, macht keiner der beiden Anstalten zu gehen. Er ist überrascht, wie wenig ihre Schönheit ihn heute anrührt. Sie ist prachtvoll wie eh und je, aber er empfindet nichts, ausgenommen eine Art von abstrakter Bewunderung, wie man sie für eine Marmorstatue oder einen prächtigen Sonnenuntergang empfinden mag. Er versucht Erinnerungen zu Hilfe zu nehmen. Die Kühle ihrer Haut unter seinen Lippen, die Festigkeit ihrer Brüste in seinen Händen, der Duft ihres elektrisierenden langen Haares. Nichts. Die nächtelangen Gespräche, als sie einander soviel zu erzählen hatten. Nichts. Nichts. So wird Liebe vom Verrat versteinert. Aber sie ist immer noch schön.
    »Schadrach…«
    Er wartet. Sie sucht nach Worten. Er glaubt zu wissen, was sie sagen will: ihm noch einmal sagen, daß sie es bedaure, daß sie keine andere Wahl gehabt habe, daß sie ihn nur aus dem Bewußtsein der Unausweichlichkeit heraus verraten habe. Es ist ein endloser, peinlicher Augenblick.
    Schließlich sagt sie: »Wir kommen mit dem Projekt gut voran.«
    »Das habe ich gehört.«
    »Ich muß daran weiterarbeiten, weißt du. Es gibt keinen anderen Weg für mich. Aber ich hoffe, daß es nie zur Verwirklichung des Projekts kommen wird; das möchte ich dir begreiflich machen. Ich meine, es ist wertvolle Forschung, ein enormer wissenschaftlicher Durchbruch, aber ich möchte, daß es eine nur wissenschaftliche Leistung bleibt, einfach eine… eine…«
    Sie bricht ab.
    »Das ist schon gut«, sagt er zu ihr und hört eine seltsame Zärtlichkeit in seiner Stimme anklingen. »Quäl dich deswegen nicht, Nicki. Tu deine Arbeit und tu sie gut. Das ist alles, worüber du dir Gedanken zu machen brauchst. Tu deine Arbeit.« Für die Dauer eines Augenblicks fühlt er einen Funken dessen, was er einst für sie empfand. »Mach dir um meinetwillen keine Sorgen«, sagt er sanft. »Ich werde schon zurechtkommen.«
    Am dritten Tag wird der Verband von seiner Hand abgenommen. Nur eine rosige Linie markiert die Stelle, wo das Implantat eingesetzt wurde, eine unauffällige Narbe im Innern der Handfläche. Er bewegt die Hand, krümmt und streckt die Finger – ein leichter Schmerz ist noch spürbar –, vermeidet es jedoch sorgsam, sie zur Faust zu ballen. Der Zeitpunkt zur Erprobung des neuen Geräts ist noch

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