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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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für ihr Sicherheitsempfinden. Erst um die Jahresmitte zeichnete sich ein Sommerloch ab, das sie endlich für ihre schriftstellerischen Ambitionen nutzen wollte. Markus hatte sie eingeladen, mit ihm Urlaub in Tirol zu machen. Seine Eltern hatten eine abgelegene Waldhütte, wo sie Natur pur erleben konnten und den ganzen Tag nichts anderes tun mussten, als frische Luft zu schnappen und das Panorama zu genießen, und sie konnte an ihrem Roman arbeiten.
    Zweimal hatte sie Markus in seiner Wohnung besucht, aber es war tatsächlich derart chaotisch und ungemütlich gewesen, dass sie es von sich aus vorzog, ihn lieber zu sich einzuladen. An seinem Abendrhythmus hatte sich unter der Woche nichts geändert: Spätestens um Mitternacht fuhr er in seine Wohnung. Nur am Wochenende, wenn er keinen Journaldienst hatte, gab es ein gemeinsames Frühstück. Doch das störte Paula nicht mehr, denn es bot ihr die Möglichkeit, sich mit Kurt auszutauschen. Der war noch immer Single oder nur so taktvoll, seine Freunde nicht in die Wohnung mitzubringen. Diesbezüglich hielt er sich nach wie vor bedeckt und erlaubte Paula keinen Einblick in sein Privatleben. Sie akzeptierte das, denn es gab so viele andere Themen, über die sie redeten, und so viele Unternehmungen, die sie gemeinsam machten. So hatte er ihr erzählt, dass die Causa Comm4Syst bereits ein Fall für den Staatsanwalt geworden war.
    Clea hatte es geschafft, ihre Diplomarbeit abzuschließen und wartete nun bereits seit zwei Monaten auf ein Feedback ihres Professors. Das Warten verkürzte sie sich dank einer neuen chemischen Reaktion namens Thomas.
    Santo hatte Paula nochmals zu sich in die Agentur geladen und sich für ihr Engagement bedankt. Sein Angebot, die Werbekampagne für eine internationale Tourismuskette zuübernehmen, schlug sie ruhigen Gewissens dank ihrer guten Auftragslage aus. Aber es ehrte sie, dass er ihr dieses Projekt anbot, und es war ein gutes Gefühl im Fall des Falles ein Netz zu haben. Vielleicht würde sie später einmal darauf zurückkommen.
    Die Menschen rund um die Biografie waren alle wieder aus ihrem Leben entschwunden. Nur Manuel Krein stattete sie einmal im Seniorenheim einen Besuch ab. Es schien ihr, als sei er seit ihrem letzten Treffen noch dünner geworden, aber er wirkte entspannter. Er hatte eine Schachtel mit alten Fotografien hervorgekramt und betrachtete eine nach der anderen.
    „Der Krebs ist so weit fortgeschritten, dass die Ärzte mir nur noch wenige Wochen geben“, erzählte er ihr völlig ruhig, fast teilnahmslos, ohne aufzublicken.
    Paula schwieg. Was hätte sie auch darauf sagen sollen?
    „Ich danke Ihnen, dass Sie mir diese letzten Tage in Frieden geschenkt haben. Ich weiß, dass es eine schwierige Entscheidung für Sie gewesen sein muss.“
    Das stimmte. Aber wie sie ihn so vor sich sah, dem Tod gelassen entgegenblickend, wusste sie, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war. Was und wem hätte es etwas gebracht, die wahre Identität des Fotografen an die Öffentlichkeit zu bringen und die Wahrheit über seinen Tod? Für die Medien hätte es den Stoff für einige Artikel geliefert, aber sonst?
    Krein hatte sich erhoben und war zu seiner Kommode gegangen. Behutsam öffnete er eine Schublade und entnahm ihr zwei dicke Umschläge. Einen reichte er ihr.
    „Hier habe ich einige Erinnerungen, Fotos und Artikel über Elsa zusammengestellt. Ich glaube, dass diese Dinge bei Ihnen in guten Händen sind.“
    Paula dankte ihm. Es stimmte, da war etwas an seiner Schwester, was sie von Anfang an fasziniert hatte. Unabhängig von ihrer traurigen Geschichte.
    Den anderen Umschlag behielt Krein in der Hand.
    „Ich verdanke Ihnen viel, und ich möchte nicht, dass Sie irgendwann einmal in Ihrem Leben Ihre jetzige Entscheidung bereuen. Hier habe ich meine Geschichte aufgeschrieben, vom Anfang bis zum tödlichen Ende Urbans. Ich werde dieses Kuvert bei meinem Notar für Sie hinterlegen.“
    Paula sah ihn lange an. Er nahm ihr mit diesem Angebot die letzten Zweifel, dass das, was sie nicht getan und gesagt hatte, richtig gewesen war. Sie wusste heute nicht, wie sie sich entscheiden würde, wenn ihr der Notar das Kuvert aushändigte. Aber sie war froh, dass er ihr diese Möglichkeit einräumte. Krein hatte sich zu einem guten Menschenkenner entwickelt.
    Es war Zeit, Abschied zu nehmen.
    Draußen brachte die Sonne das Grün zum Leuchten. Es war genau das richtige Wetter, um an die Alte Donau zu fahren, einen weißen Spritzer zu trinken und dem

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