Scharfe Pranken
Blayne auf dem Boden ausgebreitet hatte, befanden sich nun ebenfalls in den Fächern. Außerdem waren die Bücher nicht einfach nur alphabetisch geordnet, sondern alphabetisch nach Autorennamen und innerhalb von Untergruppen sortiert, die wiederum nach Themen geordnet waren. Und ja, die Themen waren ebenfalls alphabetisch sortiert. Er hatte sogar die Zeit gefunden, ihre Zeitschriften nach Jahrgängen zu sortieren, einzuordnen und zu beschriften, damit sie wusste, um welche Zeitschrift es sich handelte, ohne sie herausziehen zu müssen.
»Oh«, sagte sie. »Oh, das ist nett … Holla!«
Er wirbelte sie erneut herum, und diesmal blickte sie auf ihre Küche. Ihre makellose Küche, in der sämtliches Geschirr, alle Töpfe und Pfannen aufgeräumt und die Arbeitsplatte und Herdplatten sauber geschrubbt waren, während die vier Mülltüten, die sie seit zwei Wochen unten in die Abfalltonne hatte werfen wollen, endlich verschwunden waren. Sie war sich sicher, dass sie, hätte sie den Wunsch dazu verspürt, von diesem Küchenfußboden hätte essen können.
»Wow …«
Eine weitere Drehung, und sie blickte in ihr Schlafzimmer. Sämtliche Klamotten, die auf dem Boden gelegen hatten, befanden sich nun in ihrem Wäschekorb – Ich habe einen Wäschekorb? –, während der Haufen mit den frischen Kleidern verschwunden war, was sie zu der Schlussfolgerung veranlasste, dass er sie zusammengelegt und in ihrer Kommode verstaut hatte. Einige Stücke hatte er auch auf Bügeln in ihren Kleiderschrank gehängt, der ebenfalls neu organisiert war: Ihre Klamotten waren nun nach Größe sortiert. Die Schuhe, Turnschuhe und Stiefel, die sie immer nur unten in ihren Schrank geworfen hatte – für gewöhnlich brachte sie jeden Morgen eine Stunde damit zu, ein zusammenpassendes Paar zu finden –, standen fein säuberlich aufgereiht auf dem Boden des Schranks: links ihre Arbeitsstiefel, daneben ihre Turnschuhe, gefolgt von ihren Rollschuhen und schließlich einer sehr kleinen Auswahl an schickeren Schuhen mit Absatz.
Okay, dann hatte er eben nicht alles in einem Anfall von männlichem »Ich weiß, was gut für dich ist«-Wahn weggeworfen, sondern stattdessen ihren ganzen Kram aufgeräumt. Jetzt hatte sie nicht nur eine saubere Wohnung, sie wusste auch endlich, dass die Farbe ihres Teppichs ein warmer Pflaumenton war. Und das alles hatte er innerhalb weniger Stunden geschafft.
Blayne kaute kurz auf ihrer Unterlippe herum – fast so, wie der Dachs an ihrem Gesicht gekaut hatte –, aber sie wusste, dass sie nicht darum herumkommen würde. Sie musste sich entschuldigen und sich bedanken. Am besten in ein und demselben Satz. Bei Bo Novikov.
Stell dich nicht so an, Thorpe. Er hat in vier Stunden geschafft, wofür du drei Jahre und eine offizielle Drohung der Nationalen Gesundheitsbehörde gebraucht hättest.
Sie holte tief Luft. »Bo …«
Im selben Moment wirbelte er sie erneut herum. Nun starrte sie auf den kleinen Esstisch, der in ihrem Wohnzimmer stand, weil sie kein Esszimmer hatte. Natürlich hätte sie den Tisch auch nicht als Esstisch benutzt, wenn sie ein Esszimmer gehabt hätte. Für gewöhnlich war er unter alten und neuen Rechnungen, geschäftlichem Papierkram, von dem sie Gwen schon vor einem Monat – oder waren es zwei? – versprochen hatte, ihn zu erledigen, der Schachtel mit Familienfotos und dem leeren Familienfotoalbum verschüttet, das sie für den nächsten Geburtstag ihres Dads hatte zusammenstellen wollen, seit sie eingezogen war. Nun lag das ganze Zeug penibel gestapelt auf einem Beistelltisch, die dringenden Rechnungen in ihren Furcht einflößenden rosa Umschlägen obenauf. Auf diesem Stapel war mit Klebeband ein großes Blatt Papier befestigt, auf dem »Jetzt bezahlen!« stand, damit Blayne sie nicht wieder völlig aus den Augen verlor – und damit aus dem Sinn.
Und was stand nun stattdessen auf dem Tisch? Teller und Gläser – Ich kann mich an diese Teller und Gläser erinnern! –, Essstäbchen und eine ziemlich beeindruckende Menge chinesischen Essens von ihrem rund um die Uhr geöffneten Lieblingsrestaurant an der Ecke.
»Oh … wow. Ich …«
Und dann hörte sie, wie ihre Wohnungstür zuknallte.
Blayne zuckte zusammen und schaute über ihre Schulter. Ja, sie war wieder allein. »Verdammt!«
Bo hatte seinen Wagen erreicht, als er plötzlich stehen blieb und den Kopf hob. Er schnupperte in die Luft und knurrte, als ihm bewusst wurde, dass er Wolf roch. Oder besser: Wölfin. Ohnehin
Weitere Kostenlose Bücher