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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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habe ich. Er konnte sich an nichts erinnern.«
    »An nichts?«

    »Ja, an nichts. Er dachte sogar, ich würde mich über ihn lustig machen. Für ihn waren diese drei Tage einfach weg, so, als hätte er sie nie gelebt.«
    »Danke, Mister Ray. Miss Whelan-Miille, Ihr Zeuge.«

    »Mister Ray, hat Ron Nolan Mister Scholler im Walter Reed besucht?«
    »Ja. Ich habe ihn bei dieser Gelegenheit kennengelernt.«
    »Haben Sie sich an der Unterhaltung der beiden beteiligt?«
    »Nein, nicht wirklich.«
    Mills fuhr fort. »Könnten Sie uns Mister Schollers Zustand beschreiben, nachdem Mister Nolan gegangen war?«
    »Er war extrem wütend und aufgewühlt, den Tränen nahe. Ich erinnere mich genau, dass er daraufhin einen derart schweren Migräneanfall bekam, dass er eine Weile sediert werden musste.«
    Kurz stand Mills reglos da und überlegte, wie weit sie, was diesen Punkt anging, nachhaken sollte. Wenn sie Ray beim Prozess befragte, konnte sie Evan Schollers Wut und Eifersucht mit Sicherheit weiter ausschlachten, aber diesmal wollte sie es nicht überreizen. Sie wusste, er stünde ihr zur Verfügung, wenn sie ihn beim Prozess brauchte.
    »Danke, Mister Ray«, sagte sie. »Keine weiteren Fragen.«

    Weil sie auf der Zeugenliste der Anklage stand, durfte Tara nicht in den Gerichtssaal. Inzwischen war es siebzehn Uhr fünfzehn, und sie nagte im Besuchszimmer des Gefängnisses an ihrer Unterlippe und versuchte jedesmal, tapfer zu lächeln, wenn ihr Blick sich mit dem Evans traf.
    Und dann waren sie an dem Fenster, das an diesem Tag ihres wäre, ein Stuhl auf jeder Seite, mit einem Loch im Plexiglas,
durch das sie sprechen mussten. Inzwischen war alles so vertraut und doch so schrecklich. Aber Tara wollte sich nicht auf das Negative konzentrieren. Sie war fest entschlossen, sich ihre Mutter zum Vorbild zu nehmen und optimistisch und positiv eingestellt zu bleiben. »Ich habe dich im Fernsehen in Anzug und Krawatte gesehen.«
    »Ich dachte, das hätte ich dir erzählt. Im Gericht soll ich wie ein ganz normaler Mensch aussehen.«
    »Du siehst auch jetzt wie ein ganz normaler Mensch aus.«
    »Jede Wette, dass bei einer Umfrage die meisten Leute sagen würden, ich sehe wie ein typischer Knacki aus - mit dem Overall und allem. Wie haben sie sich im Fernsehen über den Prozess geäußert?«
    »Sie sagten, es war ein gemischter Tag. Wie siehst du das?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Vorerst sind die Geschworenen noch nicht dabei, deshalb zählt noch nichts davon wirklich, aber für mich hat es sich nicht gemischt angefühlt. Diese Anklägerin ist ein ziemlich harter Brocken. Sie reitet ständig auf dieser Alkoholgeschichte herum.«
    »Warum ist ihr das so wichtig?«
    »Aaron sagt, damit will sie die Geschworenen gegen mich aufbringen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sie einen Säufer sympathisch finden oder ihm glauben werden. Wenn ich dagegen an PTBS und regelmäßigen Blackouts leide, bin ich ein schwer verwundeter Veteran mit einer psychischen Störung, der in etwas Schreckliches hineingeraten ist, für das er nicht wirklich selbst verantwortlich ist, und schon habe ich alle Sympathien auf meiner Seite. Ich weiß, das hört sich reichlich zynisch an. Aber die Sache ist die: Wenn wir die PTBS durchkriegen, erklärt sie bis zu einem gewissen Grad
das Trinken. Nicht, dass ich es für mich selbst als Entschuldigung gelten lasse. Für das Trinken, meine ich.« Er senkte kurz den Blick. »Ich verstehe immer noch nicht, was damals an diesem Abend in mich gefahren ist, warum ich nicht mit dir nach Hause gefahren bin.«
    »Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass Mister Washburns Argumentation der Wahrheit entspricht und keineswegs zynisch ist? Dass dein physiologisches Gehirn noch nicht geheilt war, so dass du noch nicht vollkommen zurechnungsfähig warst - deine kognitiven Fähigkeiten waren einfach noch nicht vollständig wiederhergestellt. Und wenn du dazu noch PTBS hast, kann ich mir schwer vorstellen, wie dich die Geschworenen jemals eines Mordes ersten Grades schuldigsprechen sollten.«
    »Na, dann hoffen wir mal.« Er verstummte. Es schien zwar, als wollte er noch etwas sagen, aber er behielt es für sich.
    »Was ist?«, fragte sie ihn deshalb.
    Er holte tief Luft und atmete wieder aus. »Heute beim Mittagessen hat Aaron gesagt, ich sollte mir vielleicht schon mal Gedanken machen, ob ich mich nach Abschluss dieser Vorverhandlung nicht doch auf einen Deal einlasse, wenn der Richter die PTBS nicht zulässt.«
    »Einen Deal?

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