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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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angebunden hätte bezeichnen können. Sein Lieblingsgesichtsausdruck vereinte einen verstörend durchdringenden Blick mit desinteressierter Neutralität und erweckte in Verbindung
mit seinen anormalen eisblauen Augen und der durch beide Lippen laufenden Narbe den Eindruck einschüchternder, nur mit Mühe unterdrückter Wut. Angeblich hatte er Verdächtigen schon Geständnisse entlockt, ohne etwas anderes zu tun, als mit verschränkten Armen und finsterer Miene am Vernehmungstisch zu sitzen. Selbst wenn dieses Gerücht nicht ganz der Wahrheit entsprach, hatte Glitsky nichts getan, um es zu zerstreuen. Es fühlte sich wahr an. Es klang wahr. Folglich war es für die Zwecke eines Cops auch wahr genug.
    »Wann wolltest du in deinem Leben schon mal freundlich erscheinen?«, sagte Hardy.
    »Das siehst du völlig falsch. Zu Hause, den Kindern will ich keine Angst einjagen.«
    »Tust du aber. Das ist doch der Trick bei der Sache. Beim ersten Wurf hat es jedenfalls bestens funktioniert.«
    »Beim ersten Wurf, das gefällt mir. Aber die Zeiten ändern sich. Wenn du heutzutage den unfreundlichen Glitsky willst, musst du mich im Dienst anrufen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich den abkann.«
    »Du wirst es überleben. Aber jetzt, was steht an?«
    Einen Augenblick summte die Leitung von leerer Luft. Dann sagte Hardy: »Wie sieht’s aus? Hättest du Lust, was trinken zu gehen?«
    Glitsky trank nicht, und wenige wussten das besser als Hardy. Das verlieh der scheinbar unschuldigen Frage besondere Bedeutungsschwere. »Klar«, sagte Glitsky nach kurzem Zögern. »Wo und wann?«
    »Ich bin noch in der Kanzlei«, sagte Hardy. »Okay, wenn ich dich in zehn Minuten abhole?«

    Perverserweise - sich selbst sagte er zwar, es läge daran, dass es das erste Lokal war, das ihm einfiel, in dem es keinen Fernseher gab - fuhr Hardy mit Glitsky zum Jardiniere, wo er sein Auto dem Valet übergab. Sie bekamen einen Tisch auf der Leeseite der kreisrunden Bar. Es war ein Opernabend, und Der Barbier von Sevilla war vermutlich noch nicht über den ersten Akt hinaus gediehen, weshalb sie das Lokal fast ganz für sich allein hatten. Auf der Fahrt hierher waren sie fast automatisch auf ein vertrautes Thema zu sprechen gekommen - die Zustände bei der Polizei und ihre anscheinend bevorstehende Umstrukturierung. Der Gesprächsstoff hatte sie den ganzen Weg begleitet und war noch immer nicht ausgeschöpft. Glitsky, der Deputy Chief of Inspectors war, hatte einige Aspekte beizusteuern, die ganz unmittelbar ihn selbst betrafen, insbesondere das Dilemma, dass er zwar keineswegs den Dienst quittieren, andererseits aber auch nicht in seiner gegenwärtigen hohen Stellung weitermachen wollte.
    »Und was wäre die Alternative?« Hardy nahm einen Schluck Bier. »Nein, lass mich raten. Zurück in die Lohnbuchhaltung.«
    Glitsky war ein paar Jahre zuvor, als er Leiter des Morddezernats gewesen war, angeschossen worden, und nachdem er infolge der zahlreichen Komplikationen im Zuge seiner Genesung fast zwei Jahre beurlaubt gewesen war, wurde er als Sergeant zur Lohnbuchhaltung versetzt, obwohl er eigentlich Lieutenant des Civil Service war. Wäre sein Mentor Frank Batiste nicht zum Polizeichef ernannt worden, wäre Glitsky vermutlich immer noch dort. Oder, noch wahrscheinlicher, er hätte sich aufs Altenteil begeben und würde jetzt von seiner mit gelegentlichen Security-Jobs aufgebesserten Pension leben. Aber Batiste hatte ihn unter Übergehung
einiger hochrangiger Kandidaten zu seinem Stellvertreter ernannt.
    Alles in allem tat Glitsky so, als fände er das durchaus positiv. Er hatte ein großes und repräsentatives Büro, einen eigenen Dienstwagen inklusive Fahrer, eine Gehaltserhöhung, mehr Einfluss in der Stadtpolitik, Gehör bei Bürgermeister und Polizeichef. Doch die seiner Meinung nach nicht zu übersehende Kehrseite all dessen war, dass seine Tätigkeit in erster Linie politischer Natur war, was Glitskys Wesen zuwiderlief. Die häufig sinnlosen Besprechungen, Pressekonferenzen, öffentlichen Auftritte, Medienmanipulationen und Treffen mit Bürgerinitiativen und deren Vertretern, die den Großteil seiner Arbeitszeit in Anspruch nahmen, trieben Glitsky an den Rand des Wahnsinns. Das entsprach nicht seiner Vorstellung von Polizeiarbeit; das war nicht, wofür er geboren zu sein glaubte.
    Glitsky kippte sein Wasserglas steil nach oben, sog einen kleinen Eiswürfel ein, zerkaute ihn, sah Hardy an. »Du weißt ja, dass Lanier« - das war der gegenwärtige Leiter des

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