SchattenTod | Ein Weserbergland-Krimi
richtigen Weg weisen würde. In diese Gedanken klingelte sich Wolf Hetzers Mobilteil wie ein Störenfried.
Das Mädchen
Das Mädchen war sensibel. Es war keines der Kinder, das im Sandkasten mit der Schaufel auf einen anderen losging. Vielmehr ertrug sie etwas zu willig die Brutalität der Jungen und Mädchen um sich herum. Es war etwas an ihr, dass man ständig den Wunsch hatte, sie beschützen zu wollen. Etwas Zartes umgab sie, das das Herz anrührte, das einen gefangen nahm und nie wieder losließ.
Er
Sein Wesen konnte begeistern oder abschrecken. Er wirkte ganz unterschiedlich auf Menschen. Manchem war er von Anfang an zuwider, andere ließen sich von seiner sedativen Art einlullen. Vielleicht war es einfach das Leben, das sie empfänglich machte für Worte, die wohltaten, die aber nur aus einem einzigen Zweck heraus gesagt wurden: Sie sollten verführen. Er hatte ein gutes Gespür für das Innere eines Menschen. Er sah, wo es verletzt war, wo Defizite durch die schützende Schale der Seele blitzten. Dort konnte er einhaken, seine Saat aus Verlockung einstreuen, Wohlgefühl wachsen lassen, bis ihm schließlich das Opfer bedingungslos zu Füßen lag, weil es glaubte, einen Menschen gefunden zu haben, der alles heilen konnte, was ihm widerfahren war.
Andere, die ihn erkannten als das, was er war, schauderten und hielten inne. Sie glaubten in einen Abgrund zu blicken. Sie sahen in einen Spiegel, der ein erschreckendes Bild zurückwarf aus Verderben und Hass.
Er selbst mied Menschen, die ihn durchschauten, und verließ sich auf die anderen, die Lämmchen, die sich von ihm willig zur Schlachtbank würden führen lassen und noch darum bettelten, dass er sie schächten möge.
Hysterektomie
Es war Nadja gewesen, die auf Wolfs Handy angerufen hatte. Die Neuigkeiten, die sie zum Besten gegeben hatte, waren in der Tat äußerst ungewöhnlich und befremdlich. Hauptkommissar Wolf Hetzer ließ das Gesagte noch einmal Revue passieren, als er seinen Kollegen Peter Kruse von Nadjas Entdeckungen berichtete.
„Stell dir mal vor, Nadja hat etwas sehr Interessantes herausgefunden, Peter“, sagte Wolf, als er sein Handy wieder in der Hosentasche verstaute.
„Und das wäre?“ Peter lehnte sich zurück.
„Wir haben doch diese Organe zu ihren Füßen gefunden …“
„Ja!“, sagte Peter und wünschte sich in seinen heimischen Sessel. Was interessierten ihn diese Fleischteile?
„Das waren nicht ihre!“, erklärte Wolf.
„Wie, das waren nicht ihre? Kannst du das mal näher definieren?“
„Aber sicher doch. Du hast da die Frau mit dem offenen Bauch am Pranger in Petzen, der die Organe fehlen, aber die, die ihr zu Füßen liegen, sind nicht ihre, sondern die einer ganz anderen Frau. Die Blutgruppe stimmt nicht überein. Deswegen hat Nadja das auch so schnell herausgefunden.“
„Puh, das ist eine krasse Geschichte. Da bin ich mal gespannt, wann und wo wir die andere finden, der das Innenleben gehört.“ In Gedanken verabschiedete er sich von dem Steak, das er eigentlich heute Abend gegessen haben wollte, und entschied sich für ein paniertes Schnitzel, weil ihn das weniger an den Fall erinnern würde. Am Feierabend musste er seine Ruhe haben.
„Daran habe ich auch schon gedacht. Vor allem, weil es sich doch im Prinzip um Fall Nummer drei handelt, falls der vom letzten Jahr mit diesen – beiden – ja, man muss beiden sagen, zusammenhängt“, bekräftigte Wolf Peters Worte.
„Wir können wohl kaum davon ausgehen“, bemerkte Peter, „dass diese dritte Frau noch lebt.“
„Ganz sicher nicht!“, sagte Wolf. „Es ist wie gesagt nur die Frage, wann und wo wir sie finden. Vielleicht kann uns Nadja sagen, wie viel Zeit seit dem Entfernen der Organe vergangen ist.“
„Sie wird sicherlich einiges anhand der Zerfallsprozesse erkennen können“, sagte Peter.
„Es ist die Frage, ob wir jetzt beim nächsten Leichenfund wieder Fortpflanzungsorgane vorfinden werden, die nicht zur Person gehören. Ich habe da so eine dunkle Ahnung. Sie sagt mir, dass wir es mit einer Serie zu tun haben.“
„Gut möglich“, antwortete Peter nachdenklich, „was will er uns aber sagen, wenn er ihre Genitalien entfernt? Das muss doch etwas zu bedeuten haben?“
„Das wäre logisch, falls der Kerl nicht einfach pervers ist. Und das kannst du in unserem Job nicht wissen.“ Wolf Hetzer zog die Augenbrauen hoch.
„Stimmt“, sagte Peter, „die Irren sind immer mitten unter uns.“
Der Fels
In einem Meer aus Sturm und
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