Schicksalsmord (German Edition)
chinesischen Restaurant, dass sich in einer Einkaufspassage im dritten Stock eines Geschäftshauses befand. Eine Gruppe von vier Männern erwartete die beiden Frauen bereits, nach einer ausgelassenen Begrüßung verschwanden alle durch die Drehtür ins Innere des Gebäudes.
Inzwischen hatte ich mir die Sache zusammengereimt. Rolands Frau würde in der kommenden Woche ihre Tätigkeit an der Universität wieder aufnehmen und gab vermutlich eine Art Einstand für die Kollegen. Zwei der Männer waren mir bekannt vorgekommen, ich musste ihnen in der Historischen Fakultät bereits begegnet sein. Die Wahl des Lokals beruhte offenbar auf einem Mehrheitsbeschluss, denn von Roland wusste ich, dass seine Frau im Gegensatz zu ihm chinesisches Essen nicht sonderlich schätzte.
Der Plan, den ich ganz spontan fasste, war simpel und ich war mir seines Gelingens durchaus nicht sicher. Ich beschloss Roland anzurufen und ihn unter einem dringenden Vorwand in das chinesische Lokal zu bitten. Wenn seine Frau uns zusammen sähe, wäre das endlich der Anstoß für das von mir ersehnte und vermutlich noch nicht erfolgte Gespräch zwischen ihnen.
Roland meldete sich bereits beim ersten Klingeln seines Handys. Aus dem Stimmengewirr im Hintergrund schloss ich auf eine Besprechung. Er murmelte eine Entschuldigung, eine Tür klappte, und dann konnte ich mit ihm sprechen. Glücklicherweise lehnte er mein Ansinnen nicht ab, vertröstete mich aber. Frühestens in einer Stunde würde er dort sein. Es wurden fast eineinhalb Stunden daraus, in denen ich bangte und mit den Fingern nervös auf dem Lenkrad herumtrommelte. Würde die Gruppe lange genug in dem Restaurant bleiben? Vielleicht hatten sie noch andere Pläne und wollten vorher nur kurz etwas essen.
Als ich Rolands dunkles Cabrio endlich um die Ecke biegen sah, waren sie noch nicht wieder aufgetaucht. Roland und ich waren bereits zwei oder drei Mal in der Gaststätte gewesen, der Chinese zählte für ihn zu den sicheren Lokalitäten, er würde hier keine Kollegen und schon gar nicht seine Frau vermuten.
Erleichtert registrierte ich bei ihm keinen Anflug von Verärgerung über meinen Anruf, Roland schien glücklich, mich wiederzusehen. „Hast du es vor Sehnsucht nicht mehr ausgehalten?“, flüsterte er mir zu, während er mich äußerlich höchst förmlich mit einem Kopfnicken begrüßte. Erst im Fahrstuhl küssten wir uns leidenschaftlich. Einer vagen Eingebung folgend lehnte ich mich gegen die Wand, schob meinen engen, geschlitzten Rock, den ich zu einer eleganten roten Kaschmirjacke trug, weit nach oben und schlang mein der Tür zugewandtes Bein um Rolands Hüfte. Als der Fahrstuhl unmittelbar darauf hielt, täuschte ich ein Straucheln vor, zog Roland fester an mich, und verhinderte so, dass er sich von mir lösen konnte. Von der inzwischen geöffneten Tür aus musste das wie heißer Sex im Fahrstuhl aussehen.
Aus den Augenwinkeln hatte ich die auf den Fahrstuhl wartende Personengruppe sofort wahrgenommen. Nun sah ich zu meinem Entzücken, dass es sich tatsächlich um Frau Professor Rittweger und Begleitung handelte. Ihre Gesichtszüge wirkten wie erstarrt, nur der jüngste der Männer grinste anzüglich. Es war schon immer eine meiner Stärken gewesen, in entscheidenden Situationen absolut die Kontrolle zu behalten und dadurch gelang es mir, meiner perfekten Inszenierung nun gewissermaßen noch die Krone aufzusetzen. Mit einem strahlenden Lächeln verkündete ich in die eisigen Mienen hinein: „Oh pardon, wir feiern heute unseren Hochzeitstag!“
Frau Professor Rittweger fing sich als erste: „Eine glückliche Ehe noch!“, sagte sie sarkastisch und ging sehr steif und sehr gerade an uns vorbei auf die Treppen zu, gefolgt von ihrem in tiefes Schweigen versunkenen Anhang.
Jetzt erst sah ich Roland an und bemerkte sein kreidebleiches, schmerzverzerrtes Gesicht. „Mein Gott, war das eine humorlose Person“, gab ich mich, meine Rolle perfekt durchhaltend, verwundert.
„Vor allem war das meine Frau“, stieß Roland jetzt hervor und wirkte völlig kopflos. Ich stand in der inzwischen geöffneten Tür, um den Fahrstuhl am Losfahren zu hindern, während Roland sich noch nicht vom Fleck gerührt hatte. Erst als eine neue Gruppe Restaurantbesucher auf den Fahrstuhl zukam, entschloss er sich auszusteigen. Ich musste ihn förmlich vorwärts bugsieren. Erst am Tisch vor unseren Menüs sitzend, die wir beide nicht anrühren sollten, erging ich mich in fassungslosem Bedauern. Roland musste
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