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Gemordet wird immer

Gemordet wird immer

Titel: Gemordet wird immer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Korber
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1
    Mit dunkelrotem Kopf wuchtete der Taxifahrer Viktors Rucksack aus dem Kofferraum. »Was haben Sie denn da drin, Meister, ’ne Leiche?«
    Viktor stand vor dem Gartentor und zählte ratlos das Kleingeld. An diese Euros würde er sich nie gewöhnen. »Hmm«, murmelte er. Über seinem Kopf wölbte sich das Firmenschild mit den verschnörkelten schmiedeeisernen Buchstaben: W. & O. Anders. Bestattungen . O. war sein Vater gewesen. W. war Onkel Wolfgang.
    »Klar, ’ne Leiche«, erwiderte Viktor und streckte dem Mann einen Zwanziger hin.
    Der Fahrer warf einen schrägen Blick erst auf das Schild, dann auf Viktor, schnappte sich schnell das Geld, stieg ein und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
    Kinderstimmen ließen Viktor an die hohe Gartenmauer treten, doch sie kamen von einem Nachbargrundstück. Schon seltsam, dachte er, während er sich hochstemmte und mit einem Blick all das erfasste, was die Erinnerung an seine Kindheit ausmachte. Seltsam, einen Ort wiederzusehen, an den man eigentlich nie mehr hatte zurückkehren wollen. Da war er noch immer, der verborgene Garten, voll wilder Rosen und düsterer Fichten, an denen der Efeu hinaufkroch. Als Kind war das sein ganz persönlicher Räuberwald gewesen. Heute fand Viktor ihn eher vernachlässigt als geheimnisvoll. Und alles wirkte mit einem Mal sehr überschaubar. Die orangefarbenen Markisen des Hauses waren verblasst und erinnerten in keinster Weise mehr an die Banner einer feindlichen Burg, die erobert werden wollte. Wie oft hatten sie die damals gestürmt, eine wilde Horde Cousins und Cousinen, die kämpften für unsterblichen Ruhm, Kakao und Kuchen.
    Viktor ließ sich wieder hinunterfallen, klopfte den Staub von der Jeans, schulterte seinen Rucksack und ging zum Eingang. Er war zurückgekommen, um mehr einzufordern als Süßigkeiten. Energisch drückte er die schmiedeeiserne Pforte auf. Das durfte nicht wahr sein: Da stand es ja schon wieder, das scheußliche Füllhorn aus Beton. Hatte er ihm vor zehn Jahren zum Abschied nicht einen Tritt versetzt, sodass es in viele kleine Stücke zersprungen war? Viktor bückte sich. Jemand hatte es sorgsam gekittet und mit Stiefmütterchen bepflanzt. Viktor lächelte bitter. Im Erdgeschoss wackelte eine Gardine.
    Viktor ließ seinen Rucksack fallen, packte das Füllhorn, stemmte es hoch und ging hinüber zur Mülltonne. Vor dem Tor blieb eine Spaziergängerin stehen und betrachtete Viktors Bemühungen, mit einem freien Finger den Tonnendeckel aufzubekommen. Mit offenem Mund stand sie da, der Kleidersaum hing schief um ihre Beine, an denen vier Pekinesen schnupperten und kratzten.
    Viktor starrte zurück. »Blumen gefällig?«, fragte er und streckte ihr seine Last hin.
    Sie grunzte, reckte das Kinn und ging weiter, eine von vier Pekinesen gezogene Quadriga der Empörung.
    Viktor versenkte das feindliche Flaggschiff, das zu seiner Zufriedenheit am Grund der Tonne in tausend Scherben zersprang. Die Blumen zitterten nach. Stiefmütterlich gehandelt, dachte er und knallte den Plastikdeckel zu. Man konnte es schließlich nicht allen recht machen.
    Sein Meister wäre darüber gar nicht glücklich, dachte er ein wenig kleinlaut, während er mit knirschenden Schritten den Kiesweg entlangging. Aber Herrgott … Immerhin hatte er dem meisterlichen Rat gehorcht und war hergekommen. Bereit dafür, Klarheit zu finden. Aber dass er in jedem Detail wie ein Musterschüler handelte, war einfach zu viel verlangt.
    Die Haustür öffnete sich, ohne dass er geklingelt hatte.
    »Hallo, Tante Hedwig.«
    Auch seine Tante sah noch genauso aus wie damals: dauergewellte Allerweltslöckchen um ein Allerweltsgesicht herum, das liebe Lächeln unbesiegbar und unerschütterlich bis zur Debilität. Was hatte es ihn früher wütend gemacht, wenn er etwas wissen wollte und keine andere Antwort bekam als ebendieses Lächeln. Tante, wo kommen die Babys her? Lächeln, Schweigen. Tante, was ist ein Einspritzsystem? Was bedeutet: reziproker Wert? Wer war dieser Hitler? Tante Hedwig, sag mal, was ist eigentlich Nekrophilie?
    Lächeln, Seufzen, »Ach.« Und ein Streicheln über den Kopf. Schwer zu sagen, wie alt sie war. Dick war Tante Hedwig schon immer gewesen, auf eine matronenhafte, schwerleibige Weise. Auch die Liebe zum Geblümten war ihr geblieben. Und sie trug nach wie vor ihre Schürze mit den gestärkten Spitzen, die jeden Gedanken an eine Sexualität im Keim erstickte. Als Kind hatte sie ihn an die Baisers erinnert, die sie immer servierte.
    »Viktor?«,

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