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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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Schlingpflanzen bedeckten Gitterwerks, wo sie sich verborgen gehalten hatten, das weiße Hemdchen und der dicke kleine Körper auf, und täglich parierte ich mein Pferd, damit unsere Begrüßung auch mit der nötigen Bedachtsamkeit und mit geziemender Würde erfolge.
    Niemals hatte Muhammad Din einen Spielgefährten. Er pflegte in seine eigenen geheimnisvollen Angelegenheiten vertieft durch das Grundstück zu trotten, hin und her zwischen den Rizinusbüschen. Eines Tages stieß ich an einer entlegenen Stelle des Gartens auf eine seiner Arbeiten. Er hatte den Poloball halb im Staube vergraben und um ihn im Kreise sechs welke, alte Maßliebchen gesteckt. Außerhalb dieses Kreises wiederum war aus Stückchen roten Ziegels, die mit Porzellanscherben wechselten, ein rohes Viereck gezogen, das Ganze von einem kleinen Staubwall umgrenzt. Der Bhisti oder Wasserträger vom Brunnen legte ein gutes Wort für den kleinen Architekten ein und meinte, es sei ja nur das Spiel eines kleinen Kindes und verschandele meinen Garten doch kaum.
    Der Himmel weiß, daß ich weder damals noch später die Absicht hatte, des Kindes Werk zu zerstören; allein noch am gleichen Abend führte mich ein Spaziergang unversehens gradenwegs dorthin, so daß ich, noch ehe ich esrecht wußte, Maßliebchen, Staubwall und die Bruchstücke eines ehemaligen Seifennapfes zertreten und in ein hoffnungsloses, unrettbares Chaos verwandelt hatte. Am nächsten Morgen entdeckte ich Muhammad Din, wie er über der Trümmerstätte, die ich geschaffen hatte, leise in sich hineinweinte. Irgend jemand hatte ihm in roher Weise erklärt, der Sahib sei sehr böse auf ihn, daß er ihm seinen Garten ruiniere, und dann unter Flüchen des Kindes kostbaren Plunder in alle vier Wände zerstreut. Muhammad Din arbeitete eine ganze Stunde lang, um auch die kleinste Spur des Staubwalls und der Töpferscherben zu beseitigen und das Gesicht, mit dem er mir bei meiner Rückkehr aus dem Bureau sein »Talaam Tahib« wünschte, war tränennaß und zerknirscht. Eine in aller Eile angestellte Untersuchung endigte damit, daß Imam Din Muhammad Din zu verstehen gab, daß es ihm durch meine ganz außerordentliche Gnade gestattet sei, nach Belieben weiterzuspielen. Worauf das Kind wieder Mut faßte und sich daranmachte, den Grundriß eines Gebäudes aufzuzeichnen, das die Maßliebchen-Poloball-Schöpfung in den Schatten stellen sollte.
    Einige Monate lang verfolgte dieses rundliche kleine Original auch weiterhin seine anspruchslose Bahn im Staube und unter den Rizinussträuchern; immer wieder die prunkvollsten Paläste bauend aus verdorrten, weggeworfenen Blumen, aus runden, vom Wasser geglätteten Kieseln, aus kleinen Glasscherben und aus Federn, die er – vermutlich meinen Hühnern ausgerupft hatte – – immer allein, unablässig vor sich her summend.
    Einmal wurde eine besonders lustig gefärbte Muschel dicht neben seiner jüngsten Schöpfung fallen gelassen, und ich erwartete, daß Muhammad Din damit ein mehr als gewöhnlich prächtiges Bauwerk aufführen würde. Ich hatte mich auch nicht getäuscht. Fast eine ganze Stunde sann er tiefnach und sein Summen schwoll zu einem Triumphlied an. Dann begann er in den Staub zu zeichnen. Diesmal würde es entschieden ein ganz besonders wunderbarer Palast werden, denn der Grundriß maß der Länge nach nicht weniger als zwei Meter und einen Meter in der Breite. Doch der Palast sollte nie vollendet werden.
    Am folgenden Tage stand kein Muhammad Din am Eingang zur Auffahrt, und kein »Talaam, Tahib« grüßte mich bei meiner Rückkehr. Ich war an den Willkomm so gewöhnt, daß dieser Wegfall mich beunruhigte. Am nächsten Tage erzählte mir Imam Din, das Kind litte an leichtem Fieber und brauche Chinin. Es erhielt das Chinin und einen englischen Arzt obendrein.
    »Die Bälger haben alle keine Widerstandskraft,« meinte der Arzt, als er Imam Dins Wohnung verließ.
    Eine Woche später begegnete ich, obwohl ich viel darum gegeben hätte, ihm aus dem Wege gehen zu können, Imam Din auf dem Wege zum mohammedanischen Friedhof, begleitet von einem Freund, und er trug auf seinen Armen, eingehüllt in ein weißes Tuch, alles was übriggeblieben war von dem kleinen Muhammad Din.

Auf Grund einer Ähnlichkeit
    »Ist dein Spiegel zerbrochen, so blicke in stilles Wasser,
aber hüte dich, hineinzufallen.«
    Indisches Sprichwort.
    Nach einer glücklichen Liebe ist so ziemlich das Unbequemste, das ein junger Mann zu Beginn seiner Laufbahn mit sich herumschleppen kann,

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