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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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Abzeichen der Regimenter bedeckt war, mit denen sein eigenes in Garnison gelegen hatte, und überreichte ihn Mulvaney.
    »Ich bin zu schwach, um Dich zu verdreschen, Mulvaney,« sagte er, »aber Du hast mich schon öfters verhauen. Heute kannste mich mit dem Ding da kaputt schlagen, wennde Lust dazu hast.«
    »Lassen Sie mich mal 'n Wortchen mit ihm reden, Herr,« sagte Mulvaney.
    Ich verabschiedete mich, und auf dem Heimweg dachte ich ziemlich lange nach, im besonderen über Ortheris und im allgemeinen über meinen Freund, den Infanteristen Tommy Atkins, den ich liebe.
    Aber ich vermochte zu keinem Schluß zu gelangen.

Die Geschichte von Muhammad Din
    »Wer ist glücklich zu preisen unter den Menschen? Er,
der daheim in seinem eigenen Hause kleine Kinder sieht
hüpfen, fallen und lärmen und aus dem Staube Kronen sich
erbauen.«
    Munichandra.
    Der Poloball war alt, zerschrammt, verbeult und voller Kerben. Er lag auf dem Kaminsims zwischen den Pfeilenstielen, die Imam Din, der Speisenträger, für mich reinigte.
    »Braucht der Himmelsgeborene diesen Ball?« fragte Imam Din ehrerbietig.
    Der Himmelsgeborene legte keinen besonderen Wert darauf; aber was konnte der Poloball einem Khitmatgar nützen?
    »Mit Euer Gnaden Erlaubnis, ich besitze einen kleinen Sohn. Er hat diesen Ball gesehen und wünscht damit zu spielen. Ich begehre ihn nicht für mich.«
    Keinem Menschen wäre es auch nur im Traume eingefallen, den wohlbeleibten Imam Din zu beschuldigen, mit Polobällen spielen zu wollen. Er trug das schäbige Ding auf die Veranda hinaus und es folgte ein Orkan entzückter kleiner Schreie, ein Trippeln kleiner Füße und das Poch-Poch-Poch des auf dem Boden rollenden Balles. Augenscheinlich hatte der kleine Sohn vor der Tür gewartet, um sich seinen Schatz zu sichern. Aber wie hatte er es nur fertiggebracht, den Poloball zu entdecken?
    Als ich am folgenden Tage eine halbe Stunde früher als gewöhnlich aus dem Bureau heimkehrte, bemerkte ich im Speisezimmer eine kleine Gestalt – eine winzige, rundliche Gestalt in einem lächerlich kurzen Hemdchen, das ihr vielleicht halbwegs über den prallen Bauch reichte. Der Kleinewanderte, Finger im Mund und leise vor sich hinsummend, im Zimmer umher und besah sich die Bilder. Zweifellos war dies der »kleine Sohn«.
    Natürlich hatte er in meinem Zimmer nichts zu suchen; er war jedoch so gründlich in seine Entdeckungen vertieft, daß er mich, der ich auf der Schwelle stehengeblieben war, nicht bemerkte. Ich betrat das Zimmer und hätte ihn um ein Haar in einen Krampfanfall versetzt. Atemlos vor Schreck ließ er sich auf den Boden fallen. Er riß die Augen und dann den Mund auf. Ich wußte, was nun kommen würde, und floh, verfolgt von einem langgezogenen, trockenen Geheul, das die Dienstbotenquartiere viel rascher erreichte als irgendein Befehl meinerseits es je getan hatte. Zehn Sekunden später stand Imam Din im Speisezimmer. Dann ertönte verzweifeltes Schluchzen, und ich kehrte zurück und erblickte Imam Din, wie er dem kleinen Sünder eine Strafpredigt hielt, der seinerseits sein Hemd ausgiebig als Taschentuch benutzte.
    »Dieser Junge«, meinte Imam Din strafend, »ist ein Taugenichts – ein großer Taugenichts. Ohne Zweifel wird er für sein Benehmen ins Gefängnis – in die Khana – kommen.« Erneutes Gebrüll von seiten des reuigen Sünders, und eine umständliche Entschuldigung an mich von Imam Din.
    »Sage dem Kleinen,« erwiderte ich, »daß der Sahib nicht böse ist, und nimm ihn fort.« Imam Din vermittelte dem Verbrecher, der sich inzwischen sein Hemd strickähnlich um den Hals gewunden hatte, meine Verzeihung und das Gebrüll dämpfte sich zum Schluchzen. Die beiden bewegten sich zur Tür. »Sein Name«, erklärte Imam Din, als wäre der Name ein Teil des Verbrechens, »ist Muhammad Din, und er ist ein Taugenichts.« Nun, da die unmittelbare Gefahr von ihm abgewendet war, drehte sich Muhammad Din in seines Vaters Armen um und meinte ernsthaft: »Esist wahr, daß mein Name Muhammad Din ist, Tahib, aber ich bin kein Taugenichts. Ich bin ein Mann!«
    Von jenem Tage datiert meine Bekanntschaft mit Muhammad Din. Niemals wieder betrat er mein Eßzimmer, doch auf dem neutralen Boden des Grundstückes pflegten wir uns mit großer Feierlichkeit zu begrüßen, obwohl unsere Unterhaltung sich von ihm aus auf »Talaam, Tahib« und meinerseits auf »Salaam, Muhammad Din« beschränkte. Täglich tauchten bei meiner Rückkehr aus dem Geschäft aus dem Schatten des mit

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