Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
Jungen wissen wenig und kümmern sich um noch weniger. Und wo keine Furcht nicht ist, da ist auch keine Gefahr. Holt euch Junge und füttert sie gut. Dann werden sie bei der Ehre vom großen, kleinen Bob, unter einem ordentlichen Offizier, ohne Sachen, nicht nur mit schwarzem Räuberpack, nee, auch mit ganzen weißen Armeen fertig werden. Lungtungpen haben sie nackend genommen, Sankt Petersburg werden sie in Unterhosen nehmen. Weiß Gott, das täten sie.
Hier ist Ihre Pfeife, Herr. Rauchen Sie nur recht hübsch vorsichtig; ein anständiges Kraut, wenn der Duft vom Kantinentabak erst raus ist. Ich danke Ihnen schön, aber es hat keinen rechten Zweck, wenn Sie mir meinen Beutel mit Ihrem Kraut vollstopfen. Kantinentabak ist ganz wie die Armee; man verdirbt sich daran den Geschmack für was Feineres.«
Bei diesem Ausspruch nahm Mulvaney sein Schmetterlingsnetz und ging zur Kaserne zurück.
Der Bazillentöter
Es freut die tönerne Götterwelt,
Wenn der ewige Zeus sein Schläfchen hält.
Doch die kleine Gesellschaft hat nicht bedacht,
Daß zu seiner Stunde auch Zeus erwacht.
In der Regel ist es nicht ratsam, sich in einem Lande in Staatsangelegenheiten zu mischen, wo Leute hoch genug bezahlt werden, damit sie sie für uns erledigen. Aber unsere Geschichte bedeutet eine berechtigte Ausnahme.
Bekanntlich erleben wir alle fünf Jahre ein tief einschneidendes Ereignis. Ein neuer Vizekönig zieht ein und bringt mit seinem anderen Gepäck einen Privatsekretär mit, der manchmal der eigentliche Vizekönig ist, manchmal aber auch nicht, ganz wie das Geschick es fügt. Denn das Geschick wacht über dem indischen Reich, weil es so groß und hilflos ist.
Es war einmal ein Vizekönig, der einen unruhigen Geist als Privatsekretär mitbrachte, – einen unbeugsamen Mann mit schmiegsamen Umgangsformen und einer fast krankhaften Arbeitswut. Dieser Sekretär hieß Wonder, – John Fennil Wonder. Der Vizekönig hatte keinen Namen, aber er besaß eine lange Kette Grafschaften und eine ebensolange Ordenskette. Unter guten Freunden pflegte er zu sagen, er wäre die galvanisierte Buggallione des goldenen Staatsschiffes. Und er sah bald träumerisch, bald belustigt Wonder zu, der völlig außerhalb seines Amtskreises liegende Dinge in seine Hand zu bringen suchte. »Und wenn wir erst alle Engel sind,« sagte Se. Exzellenz einmal, »dann wird mein lieber, guter Freund Wonder sicher eine Verschwörung anzetteln, um dem Erzengel Gabriel die Schwanzfedern auszurupfen oder Sankt Peter die Schlüssel zu stehlen. Aber dann werde ich Anzeige erstatten.«
Die Leute murrten über Wonders Übereifer, obwohl doch der Vizekönig sich nicht weiter darüber beklagte. Bei den Staatsräten fing es an, und schließlich stimmte ganz Simla darin überein, daß in dem gegenwärtigen Regime »zu viel Wonder« und »zu wenig Vizekönig« wäre. Wonder führte andauernd Se. Exzellenz im Munde. »Se. Exzellenz hin, Se. Exzellenz her; Se. Exzellenz sind der Meinung« und so fort. Der Vizekönig lächelte darüber, aber er kehrte sich nicht daran. Er meinte, daß seine »guten, alten Räte« den »ehrwürdigen Orient« in Frieden ruhen lassen würden, solange sie sich mit »seinem lieben Freunde Wonder« herumzankten.
»Sicherlich wird sich kein weiser Mann politisch festlegen,« versicherte der Vizekönig. »Denn feste politische Versicherungen sind Sicherstellungen, die sich nur ein Narr von unberechenbaren Eventualitäten abpressen läßt. Ein Narr bin ich nicht, und das andere glaube ich nicht.«
Ich weiß nicht ganz genau, was er damit sagen wollte, wenn er nicht eine Versicherungspolice meinte. Vielleicht war es auch nur ein eigener Ausdruck des Vizekönigs für: »Gewehr in Ruh!«
Nun kam zu dieser Zeit einer von jenen Leuten nach Simla, die im Leben nur eine gute Idee haben. Solche Menschen bringen die Welt vorwärts, aber für den gesellschaftlichen Verkehr sind sie wenig geeignet. Der Betreffende hieß Mellish. Er hatte fünfzehn Jahre auf seinem Besitztum im unteren Bengalien gelebt, wo er die Cholera studiert hatte. Er hielt den Träger der Cholera für einen Bazillus, der sich in unreiner Luft vermehrt und sich in dicken Flocken auf Baumzweigen festsetzt. Und dieser Bazillus konnte seiner Ansicht nach unschädlich gemacht werden durch »Mellishs unübertreffliches Räuchermittel«, – ein schwarzblaues Pulver – »das Ergebnis fünfzehnjähriger wissenschaftlicher Untersuchungen, werter Herr!«
Erfinder sind, scheint's, alle gleichen Schlages.
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