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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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der Chef auch immer. Was der jetzt wohl macht?«
    »Er wird sich wahrscheinlich langweilen, aber sehr stolz sein, daß er in Abbazia ist. Dein Generalkonsul...«
    »Daddy ... dein Literatenstolz ist auch nicht das Richtige. Weißt du – manchmal denke ich so ... der Mann ist doch immerhin etwas geworden. Sie haben ihm doch den Generalkonsul und die Seife und den Safe und das alles nicht in die Wiege gelegt – und die Wiege, lieber Daddy ... der Mann betont mir viel zu oft, daß er zeit seines Lebens in guten Verhältnissen gelebt hätte – also hat er nicht. Er hat wahrscheinlich allerhand Saures geschluckt, bis sie ihn an das Süße herangelassen haben. Na, nun schmatzt er ... Was? Natürlich hat er das vergessen, das mit dem Sauern. Ach, das tun sie ja alle. Erinnerung – Junge, Erinnerung ... das ist ein alter Leierkasten. Die Leute haben doch heute ihr Grammophon! Wenn man nur mal rauskriegen könnte, wie so einer langsam was geworden ist – so einer wie der Chef –, wie das so vor sich geht ... Verheiratet ist er nicht ... und wenn er eine Frau hätte, die könnte es einem ja auch nicht sagen, weil sie nichts gemerkt hat. Sie fände es selbstverständlich, und vom Aufstieg wollen sie ja alle nichts hören, weil sie damit zugeben würden, daß ihre Ahnen noch ohne Visier herumgelaufen sind. Aufstieg ... das sagen sie bloß, wenn sie einem keine Gehaltserhöhung geben wollen.«
    Also sprach die kluge Prinzessin Lydia und beendete ihre Rede mit einem herrlichen –
    Hier hatte die Prinzessin den Schluckauf.
    Dann wollte sie vom Boden hochgezogen werden; dann stand sie allein auf, mit einem schönen gymnastischen Schwung – und dann krochen wir langsam zurück durch den Wald. Wir standen uns nach Haus, an jeder Schneise blieben wir stehn und hielten große Reden; jeder tat so, als ob er dem andern zuhörte, und er hörte ja auch zu, und jeder tat so, als bewunderte er den Wald, und er bewunderte ihn ja auch – aber im allertiefsten Grunde, wenn man uns gefragt hätte: wir waren nicht mehr in der großen Stadt und noch nicht in Schweden. Aber wir waren beieinander.
    Da lag das erste Haus von Mariefred. Ein Grammophon kratzte sich eins. »Es ist hier zur Erholung, das Grammophon«, sagte die Prinzessin ehrfürchtig. »Hörst du – es ist noch ganz heiser. Aber die Luft hier wird ihm guttun.« – »Hast du Hunger, Lydia?« – »Ich hätte gern ... Peter! Daddy! Allmächtiger Braten! Wie heißt der Genetiv von Smörgås ... Ich möchte gern etwas Smörgåssens ... achgottachgott!« Und dies bewegte uns sehr, bis wir bei Tisch saßen und die Prinzessin alle vier Fälle des schwedischen Vorgerichts herunterdeklinierte.
    »Was machen wir nach Tisch?« – »Das ist eine Frage! Nach Tisch gehn wir schlafen. Karlchen sagt auch immer: in den Taghemden ist so viel Müdigkeit ... man muß sich völlig ausziehn und schlafen. Dann schläft man. Und das ist eben Erholung.« – »Sage mal ... sitzt dein Freund Karlchen noch immer beim Finanzamt im Rheinland?«
    Ich sagte, er säße. »Und woanz ist diesen Mann denn nu eigentlich?« – »Lieber Mann«, sagte ich zur Prinzessin, »das ist vielleicht ein Mann! Aber das darf man ihm nicht sagen – sonst wachsen ihm vor Stolz Pfauenfedern aus den Ohren. Das ist ein ... Karlchen ist eben Karlchen.« – »Keine Erklärung. So schwabbelt mein Konsul auch immer, wenn er was nicht sagen will. Ich für mein Teil gehe jetzt ins Bett, schlafas.« Ich hörte sie noch nach der Melodie von Tararabumdiä singen:
»Da hat das kleine Pferd
sich plötzlich umgekehrt
und hat mit seinem Stert
die Fliegen ab-ge-wehrt –«
     
    Dann rauschten uns die Bäume in Schlaf.
3
    Nachmittags standen wir vor dem Schloß – Touristen kamen und gingen.
    Wir wandelten in den »innern Burggarten«; da war ein zierlicher Brunnen in der Mitte, kleine Erker klebten an den Mauern – man hatte an dem Schloß herumrestauriert ... schade. Aber vielleicht wäre das Ganze sonst eingefallen; so alt war es schon.
    Ein großer Tourenwagen fuhr vor.
    Ihm entstieg ein jüngerer Mann, dann folgten zwei Damen, eine ältere und eine jüngere, und dann wurde ein dicker Herr aus dem Fond gekratzt. Sie sprachen deutsch und standen etwas ratlos um den Wagen herum, wie wenn sie vom Mond gefallen wären. Dann sprach der Dicke hastig und laut mit dem Chauffeur. Der verstand ihn zum Glück nicht.
    Sie lösten Karten für das Schloß. Der Führer war schon nach Hause gegangen, und man ließ sie allein pilgern. »Lydia...«,

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