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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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stehn, sonst machst du dich schmutzig. Hast Angst. Hast keine Angst. Ist ja Unsinn. Lydia kommt gleich. Wenn sie nun in Ohnmacht gefallen ist oder plötzlich stirbt, dann weiß niemand, daß du hier stehst. Roman, Filmidee. Pathé hat mal so was gemacht. Eine Gemeinheit, Leute in Dunkelarrest zu stecken. Ich habe im Kriege mal einen rauskommen sehen, der taumelte, als er das Licht sah. Dann begann er zu weinen. Er hatte nicht ordentlich Krieg geführt, deshalb hatten sie ihn eingesperrt, das soll man nicht. Die Richter ausprobieren lassen, was sie da verhängen. Geht aber nicht, weil sie ja wissen: es ist nur eine Probe. Also Wahnwitz der Todesstrafe, deren Wirkung niemand kennt. Nun ging das Herz ganz ruhig, ich hatte nachzudenken und ließ die Gedanken laufen ... Die Holzscheibe ruckte an, wurde fortgezogen. Licht. Lydia. Die Leiter.
    Ich stieg hinauf. Die Prinzessin lachte über das ganze Gesicht. »Wie ist denn das alles so plötzlich gekommen? Komm mal her – Na, nun aber gleich nach Haus! Allmächtiger, wie siehst du aus!« Ich war grau vor Dreck, behangen mit Spinnweben, die Hände von schwarzen Streifen geziert und der Rest entsprechend. »Wat hebben se seggt? Was hast du getan? Menschenskind, nu sieh dir man blodsen ierst mal in den Speegel!« Ich sah lieber nicht in den Spiegel. »Wo warst du so lange, Alte? Läßt einen da unten schmachten! Das ist Liebe!« – »Ich...«, sagte die Prinzessin und steckte den Spiegel wieder ein, »ich habe hier ein Töpfchen gesucht, sie haben aber keins. Die alten Burggrafen haben offenbar an chronischer Verstopfung gelitten!« – »Falsch«, lehrte ich, »falsch und ungebildet. Sie setzten sich zu diesem Behufe auf kleine Örtlichkeiten, die es hier natürlich auch gegeben hat, und diese Örtlichkeiten gingen in den Schloßgraben, wenn aber sie belagert wurden, und es kam der böse Feind, dann...« – »Nunmehr ist es wohl an der Zeit, daß wir dich waschen. Du Ferkel!« – Und wir spazierten in unsre Wohnung, vorüber an der maßlos erstaunten Wirtin, die sicherlich dachte, ich wäre in den Branntwein gefallen. Bürstung, Waschung, frischer Kragen, prüfende Blicke der Prinzessin, dreimal zurück, weil immer noch etwas klebengeblieben war. »Wen ärgern wir nun?« – »Schetzt kommst du mich aber raus. Nichs as Dummheiten hat diesen Kierl innen seinen Kopf. Un das will 'n iernsten Mann sein!« – »Will nicht ... Muß. Muß.« Wir traten ins Freie.
    Weiter hinten stand ein kleiner Pavillon; darin saß die Autogesellschaft und trank Kaffee. Wir schlenderten vorüber und sprachen lustig miteinander. Der jüngere Mann stand auf und kam auf uns zu. »Die Herrschaften sind Deutsche...?« – »Ja«, sagten wir. – »So ... vielleicht ... wenn Sie an unserm Tisch Platz nehmen wollten...?« Der Dicke erhob sich. »Teichmann«, sagte er. »Direktor Teichmann. Meine Frau. Meine Nichte, Fräulein Papst. Herr Klarierer.« Nun mußte ich auch etwas sagen, denn dies ist die Sitte unsres Landes. »Sengespeck«, sagte ich. »Und meine Frau.« Worauf wir uns setzten und die Prinzessin mir unterm Tisch an die Schienbeine trat. Kaffeegeschlürf. Tellergeklapper. Kuchen.
    »Sehr hübsch hier – Sie sind wohl auch zur Besichtigung hier?« – »Ja.« – »Reizend. Sehr interessant.« Pause.
    »Sagen Sie ... ist das Schloß eigentlich bewohnt?« Die Prinzessin trat heftig. »Nein«, sagte ich. »Ich glaube nicht. Nein. Sicher nicht.« – »So ... wir dachten...« – »Warum fragen Sie?« Die Gesellschaft wechselte untereinander bedeutungsvolle Blicke. »Wir dachten nur ... wir hatten da oben in dem einen Raum jemand sprechen hören – aber so eigentümlich, mehr wie ein Hund oder ein wildes Tier...« – »Nein«, sagte ich, »nach allem, was ich weiß: Tiere wohnen in dem Schloß gar nicht. Fast gar nicht.« Pause.
    »Überhaupt...«, sagte Herr Direktor Teichmann und sah sich um, »hier ist nichts los! Finden Sie nicht auch?« – Wir bestätigten, daß hier nichts los wäre. »Wissen Sie«, sagte der Direktor, »wenn man sich wirklich amüsieren will: da gibt's ja nur Berlin. Oder Paris. Aber sonst nur Berlin. Is doch 'n andrer Zuch. Was?« – »Hm –«, machten wir. »Ich finde es hier auch gar nicht elegant!« sagte Frau Direktor Teichmann. Und Fräulein Papst: »Ich habe mir das ganz anders vorgestellt.« Und Herr Klarierer: »Wo gehn wir denn heute abend in Stockholm hin?« Frau Direktor Teichmann aber wollte nirgends mehr hingehn; sie hätte sich vorhin so aufgeregt,

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