Schmetterlingsgeschichten - Chronik I - Genug geschlafen (German Edition)
hatte frische Brötchen und Croissants
besorgt. Wie immer las er die Morgenzeitung, doch seit neuestem las Sebastian
sie auch. Er hatte ein Lächeln von Papa geerntet, als er das erste Mal nach der
Titelseite fragte. Er fand, da stand ja alles Wichtige drauf – das musste
reichen. Außerdem hatte er nicht den ganzen Vormittag Zeit, um alles zu
studieren. Die Wirtschaftsschlagzeilen ließ er ganz weg – zu kompliziert. Weil
er nicht immer die Fußballspiele abends schauen durfte und er morgens Radiohören
hasste, bekam er so die Ergebnisse vom Vorabend mit und konnte in der Schule
mit den anderen Jungs über ihre berufliche Laufbahn als Profifußballer
philosophieren.
Politik
interessierte ihn auch, hauptsächlich die Außenpolitik. Er mochte den Krieg
nicht. Als er die Bilder über den Irak-Krieg von Al-Dschasira gesehen hatte,
und nicht die von CNN, war er sich sicher gewesen, dass er Krieg nicht mochte.
Hm,
wieder ein Selbstmord-Attentat in Israel. Diese Stadt wird nie zur Ruhe kommen.
»Papa?«
»Ja?« Papa knickte die Zeitung zur Seite und schaute zu ihm rüber.
Mama
erklärte Julia gerade zum x-ten Mal, wie wichtig es war, ein ordentliches
Erscheinungsbild an den Tag zu legen. Sie sagte immer, der erste Eindruck zählt.
Männer verstanden so etwas von Natur aus nicht. Und deswegen sei es eine der
vielen Rollen, die Frauen hatten, dafür zu sorgen, dass ihre Männer gut
aussahen. Sie schauten beide zu Papa und Sebastian rüber, die nur bequeme
Jogginghosen und Schlabber-T-Shirts trugen.
Es
war schließlich Samstagvormittag. Da galt es nicht, irgendjemanden mit dem
ersten Blick zu beeindrucken. Irgendetwas in der Art grummelte Papa zu Mama
rüber. Auf jeden Fall fand das Sebastian auch.
»Was
wolltest du noch gleich?«
»Warum
schaffen es die Menschen nicht, in Frieden miteinander zu leben? Um 1186
schaffte es Baldwin der IV. König von Jerusalem, zwischen dem 2. und 3.
Kreuzzug, auch nicht, Frieden zu halten.« Sebastian kratzte sich am Ohr.
Uff,
das saß. Alle am Tisch schauten ihn an.
»Äähm,
das ist, ääh, ein sehr kompliziertes Thema. Da müssen selbst Erwachsene erst mal
drüber nachdenken. Ouh, und außerdem ist es jetzt noch viel zu früh, um über so
schwere Sachen zu sprechen«, konnte Papa nur antworten.
»Seit
wann lernt ihr denn schon so was in der Schule?«, fragte Mama und guckte ihn
immer noch ganz verdutzt an.
Tja,
das wusste Sebastian auch nicht. Das Einzige, was er wusste, war, dass er es
wusste. Nur nicht woher…
******
10.
S ie waren nun seit drei Wochen unterwegs und ihr Ziel
lag noch in weiter Ferne.
Pharso
war nicht der Kapitän dieses Kleintransporters der Lutu-Klasse. Er war groß
genug, um die 20 Personen quer durch die Galaxie zu transportieren, und klein
genug, um nicht sonderlich aufzufallen. Sie hätten auch als Passagiere auf
einem großen Langstreckentransporter Platz finden können, doch wollten sie
lieber kein unnötiges Risiko eingehen, entdeckt zu werden. Eine Gruppe dieser
Größe würde früher oder später zu unangenehmen Fragen führen. Getrennt hätten
sie auch nicht reisen können, da mehrere kleine Gruppen, mit ungefähr derselben
Richtung, zwangsläufig die Aufmerksamkeit der Nilas auf sich gezogen hätten. So
waren sie ein Forscherteam der Universität von Patra, das am Rande der Galaxie
nach unbekannten Mikroorganismen suchte. Zumindest sagten das ihre Reisepapiere
aus. Zusätzlich hatten sie den Frachtraum voll mit Forscher-Utensilien, um ihre
Tarnung zu unterstreichen, bei denen sie allerdings größtenteils keine Ahnung
hatten, wofür sie gut waren.
Es
war bisher eigentlich ein ruhiger Flug. Die einzigen Bedenken, die Pharso
hatte, waren, wie er erklären sollte, dass ein zwölfjähriger Bander mit an Bord
war. Nicht nur, dass ein Erklären den Nilas gegenüber schwierig werden könnte.
Nein. Der nervte – und zwar tierisch.
In
diesem Moment ging der Feueralarm los. Ein kleiner grüner Blitz schoss an ihm
vorbei… und aus dem Frachtraum stieg Rauch auf.
L eise
glitt der Späher durch die dunkle Galaxie, nur ein gelegentliches Surren der
Triebwerke war mit jeder Kurskorrektur zu hören. Es konnte den Verfolgten aber
unmöglich auffallen, da der Bordcomputer, der seine Daten von einer Spio-Sonde
Level IX erhielt, die in geringem Abstand dem Lutu-Transporter folgte, in
Nanosekunden die geänderte Flugbahn berechnete und sofort einen neuen Kurs
einschlug – weit genug entfernt.
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