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Schnapsdrosseln

Schnapsdrosseln

Titel: Schnapsdrosseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Trinkaus
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Freude. Der Vermieter war auch außer sich gewesen – allerdings aus anderen Gründen. Aber er war ein netter Kerl gewesen, und letztlich war es gegangen. Letztlich ging es fast immer, wenn man wirklich wollte.
    Damals hatte sie von dem hier geträumt. Ein Haus, ein Garten, Platz, Raum, Freiheit.
    Sie betrachtete die frisch gemähte Wiese. Es duftete nach feuchtem Gras. Die nächtlichen Angstgefühle kamen ihr auf einmal lächerlich vor. Alles war in Ordnung. Sie hatte die Dinge im Griff.
    Ihr Blick wanderte zum Hühnerstall. Der Bruchteil einer Sekunde genügte, um alle Zuversicht zerbröseln zu lassen. Sie starrte auf das geöffnete Fenster, die weit aufstehende Tür. Das war unmöglich. Sie erinnerte sich genau daran, den Stall gestern zugemacht zu haben. Sie war ein bisschen angetrunken gewesen, ja, aber sie hatte umso genauer darauf geachtet, ihre Sache ordentlich zu machen.
    Sie hörte aufgeregtes Gegacker, fühlte sich kurz erleichtert. Sie beschleunigte ihre Schritte, alles in Ordnung, dachte sie, und dann war sie da. Stand vor dem hohen Maschendrahtzaun und starrte auf das, was mit Ordnung nichts zu tun hatte.
    Elsas Schulter tat weh. Das ewige Gezerre war anstrengend. Zum wohl tausendsten Mal fragte sie sich, wann Fipsi sich das endlich abgewöhnen würde. Sie hatte wirklich zu viel Temperament. Dachte Elsa an guten Tagen.
    Heute war kein guter Tag. Heute ärgerte sich Elsa. Das kleine Biest schien sich tatsächlich einzubilden, dass sie von der Leine durfte. Nach allem, was sie sich gestern geleistet hatte!
    Unerziehbar, dachte sie und ruckte an der Leine. Das erstickte Keuchen des Hundes bewies, dass das Wirkung hatte. Trotzdem ließ Fipsi keinen Millimeter nach. Bockig. Oder einfach dumm.
    Sie waren bis zum Waldrand gegangen. Auch dort hatte Elsa nicht nachgegeben, hatte Fipsi angeleint gelassen. Strafe musste sein. Sie hatte eine Ewigkeit herumgeschnüffelt, bis sie sich endlich dazu herabließ, ihr Geschäft zu verrichten. Eine Ewigkeit, in der Elsa aufgegangen war, dass es ein Fehler gewesen war, das Haus zu verlassen, ohne wenigstens kurz nach Maxi zu sehen. Es spielte keine Rolle, wie schlecht und müde sie sich selbst fühlte. Maxi brauchte sie. Sie mussten sich gegenseitig unterstützen. Sie durfte ihre Schwiegertochter nicht für das Verhalten ihres Vaters verantwortlich machen.
    Sie beschleunigte ihre Schritte, passierte den Spielplatz, durchquerte den Park und bog ins Wohnviertel ein. Ein kleiner Junge rannte aus einem der winzigen Einfamilienhäuser aus den sechziger Jahren durch den leicht ungepflegt wirkenden Vorgarten. Sie fragte sich beiläufig, wie man so leben konnte. So ein Vorgarten war doch ein Aushängeschild. Zu ihrer Zeit hätte man sich geschämt für einen solchen Garten.
    Eine Frau mühte sich damit ab, einen Kinderwagen die paar Stufen, die vom Vorgarten zur Haustür führten, hinunterzuwuchten.
    »Bleib da, Jan-Eric«, rief sie dem Jungen zu. »Nicht auf die Straße laufen. Ich hole nur schnell Leonie, dann können wir los.« Sie verschwand im Haus. Der Junge schien sie gar nicht gehört zu haben. Er schwenkte einen Stock durch die Luft, kämpfte mit finsterer Miene gegen unsichtbare Gegner.
    Fipsi kläffte.
    »Keine Angst, meine Kleine«, sagte Elsa. Der Zug an der Leine verstärkte sich. Der Junge hatte den Hund bemerkt. Sein Gesicht begann zu strahlen.
    »Wauwau!«, rief er, und Elsa wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie eingeschränkt die Sprachfähigkeit der heutigen Kinder war. Niemand schien mehr Wert darauf zu legen, ihnen korrektes Sprechen beizubringen. Man parkte die Blagen lieber vor Fernseher und Computer und wunderte sich, dass eine Generation von Versagern heranwuchs.
    Fipsi zog in Richtung des Kindes. Ihr Kläffen und Knurren klang erstickt.
    »Wauwau«, rief das Kind, offenbar zu beschränkt, um die Signale des Hundes zu verstehen.
    Elsa erkannte den Jungen. Es war der Bengel vom Spielplatz, dessen Mutter sie schon am Tag zuvor so unmöglich behandelt hatte. Sie verspürte keinerlei Lust, dieser Frau zu begegnen.
    »Aus!«, sagte sie, aber Fipsi hörte nicht.
    »Wauwau!« Der Junge ließ seinen Stock fallen und kam direkt auf sie zu. Auf Fipsi, Elsa schenkte er keinerlei Beachtung. Sie versuchte, das Kind zu ignorieren, ruckte an Fipsis Leine. Die stand mittlerweile geifernd auf den Hinterbeinen. »Bleib weg von meinem Hund!«, rief sie dem Jungen zu, aber es war zu spät.
    Elsa sah den ausgestreckten, speckigen Kinderarm, sie hörte Fipsis Hysterie und

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