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Schnapsdrosseln

Schnapsdrosseln

Titel: Schnapsdrosseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Trinkaus
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ist. Ich habe dich noch nie so gesehen, Stefanie. Ich wollte dich nicht so sehen. Und darum bin ich weggelaufen. Ich habe mich geschämt. Und ich hatte Angst. Und seitdem denke ich darüber nach, was gewesen wäre, wenn ich geblieben wäre. Wenn ich den Mut gehabt hätte, einzugreifen, bevor …«
    »Bevor ich ihn umbringe?« Wie ein Peitschenhieb knallte die Frage über den Tisch. »Und jetzt willst du das wiedergutmachen, indem du die Schuld auf dich nimmst? Hast du dir mal überlegt, wie das ist, im Gefängnis? Wie es weitergeht, nachdem du deine Heldentat vollbracht hast? Du willst mir die Verantwortung abnehmen, obwohl du nicht mal in der Lage bist, die Verantwortung für dein eigenes Leben zu tragen! Das ist nicht gut oder edel. Sondern arrogant und dumm!«
    Sie biss sich auf die Unterlippe, bemühte sich, ruhiger zu werden. Sie sah ihn an. »Bernd hat mich bestohlen und hintergangen. Ich war außer mir vor Zorn. Ich weiß nicht, ob ich ihm je hätte verzeihen können. Aber ich hätte gern die Chance dazu gehabt. Vielleicht wäre ich an diesem Abend wirklich imstande gewesen, ihm etwas anzutun. Aber glaubst du im Ernst, dass ich damit einfach weiterleben könnte? Während du im Gefängnis sitzt und für etwas büßt, das du nicht getan hast?«
    Norbert starrte sie an. »Scheiße«, sagte er leise. »Oh, verdammte Scheiße … Es tut mir leid …« Er streckte die Hand aus und legte sie auf ihre.
    Sie versteifte sich ein wenig, duldete die Berührung aber. Er zitterte, wirkte völlig aufgelöst. Sie merkte, wie ihre Wut in sich zusammenfiel. »Wir sind Idioten, Norbert«, sagte sie leise. »Wir sind zwei Vollidioten.« Und auf einmal fühlte sich seine Hand gut an. Das, was ihr Misstrauen abgetötet hatte, kehrte zurück. Das hier war Norbert. Ein Freund. Einer der besten, die sie je gehabt hatte. Er war ein Idiot, aber auf seine hilflose Weise bereit, alles für sie zu tun. Sie löste ihre Hand von der seinen, griff nach dem Weinglas.
    »Ich war sicher, dass es eskaliert ist«, sagte er. »Ein Unfall, mehr wäre es ja nicht gewesen. Ich dachte, ich hätte bleiben müssen, ich dachte …«
    »Denken«, sagte sie. »Man denkt und denkt. Ich nehme dir nicht übel, was du gedacht hast. Ich habe ja auch … Dabei wollte ich so sehr glauben, dass du unschuldig bist. Wir hätten reden müssen. Es ist wichtig. Das ist das Schlimmste, weißt du? Nicht, dass er tot ist. Sondern dass unsere letzte Begegnung so voller Hass war. Eigentlich habe ich erst jetzt wirklich begriffen, dass ich ihn liebe, immer geliebt habe. Jetzt ist es zu spät. Ich muss damit leben. Wir alle müssen mit dem leben, was sich nicht ändern lässt. Aber ein falsches Geständnis ist nichts weiter als eine neue Flucht, verstehst du? Du hast ein Leben, Norbert. Du musst es in Ordnung bringen.«
    »Ich fürchte, dazu ist es zu spät. Ich habe versagt, Stefanie. Ich habe alle enttäuscht und unglücklich gemacht –«
    »Hör auf!«, fiel sie ihm ins Wort. »Hör endlich auf, dir selbst leidzutun! Es ist für niemanden leicht. Du hast Angst, und du bist feige. Weil du einfach ein Mensch bist. Aber du kannst Dinge ändern. Es ist mühsam. Aber es geht! Ich weiß auch nicht, wie ich klarkommen soll. Ich bin allein. Ich muss meinem Sohn sagen, dass er seinen Vater nie kennenlernen wird. Vielleicht wird er mir das nicht verzeihen. Das muss ich aushalten, weil es sich nicht ändern lässt. Es gibt keine Alternative.« Sie schwieg einen Moment. »Du musst trotzdem zur Polizei. Das zum Beispiel, das musst du tun. Obwohl es schwer wird.«
    Er nickte. »Ich habe Angst.«
    »Natürlich hast du Angst. Aber du bist ein Zeuge. Du bist unschuldig.«
    »Meine Aussage wird dich belasten.«
    »Ich habe ihm nichts getan. Und es spielt keine Rolle. Du musst die Wahrheit sagen. Und ich auch. Wir gehen zusammen, gleich morgen früh. Es war dumm von mir, zu lügen. Sie wissen, dass ich mit ihm zusammen war an diesem Abend. Ich wollte nur erst mit Julian reden …« Sie lächelte schwach. »Ich bin auch feige«, sagte sie. »Ich habe ihn noch immer nicht angerufen. Ich habe Angst, so viel Angst, dass ich lieber die Polizei anlüge, verhindere, dass die Sache aufgeklärt wird. Ich habe genauso eine Scheißangst wie du. Jemand hat meinen Hühnern das Genick gebrochen. Jemand hat Karl vergiftet. Ich weiß nicht, was vorgeht. Und darum muss ich die Wahrheit sagen, damit dieser ganze Spuk endlich ein Ende hat!«
    »Was geht hier vor, Steffi? Die Hunde … warum passiert das? Warum

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