Bokeh
1Prolog
Ich bin eine Schlampe.
Jeder denkt es insgeheim, kaum einer sagt es offen.
Ich weiß es. Jeder weiß es.
Auch Mann wird nicht erfolgreich in diesem knallharten Geschäft nur mit einem hübschen Gesicht, charmantem Lächeln, geradem Gang und Hüftschwung.
Zumindest nicht mit dem üblichen Hüftschwung.
Business is tough.
Niemand weiß das besser, als ich. Ich bin lange genug dabei.
Mit sechzehn die ersten Fotoshootings, mit siebzehn lief ich bereits für zwei große Modedesigner. Nicht nur, weil ich gut bin und ein überaus attraktives Gesicht habe. Hellblonde Haare, die nicht gefärbt sind. Große, haselnussbraune Augen, die in der Mitte dunkler werden. Schöne, gewölbte Lippen und eine schmale, gerade Nase. Ich bin schlank, trainiere regelmäßig; ich sehe einfach verdammt gut aus. Perfekte Androgynität.
Das hat meine erste Agentur früh genug erkannt, sonst wäre ich nie an einen Vertrag und vor allem in so jungen Jahren nie zu diesem besonderen Termin gekommen.
Ich weiß noch, wie nervös ich war, als ich in dem Atelier vor dem großen Meister des Modedesigns auf und ab lief und ihn mit kokettem Augenaufschlag anlächelte. Seine Augen glänzten, er leckte sich über die Lippen. Ganz klar: Er mochte mich.
Nicht nur meine Bewegungen.
Oder vielleicht doch. Gerade die.
Meine Agentur hatte den Termin ausgemacht, aber niemand von meiner Familie konnte oder wollte mich begleiten. Ich steckte noch in der Schule und war alleine mit Bahn und Taxi von Hamburg nach München gekommen.
Der große Meister, der die Models für seine Frühlingskollektion castete, war schwul, jeder von uns wusste es. Einige der anderen Models hatten beim Warten ein paar anzügliche Witze darüber gerissen. Ich hatte nur gelächelt.
Es war mir egal. Ich mag Frauen und Männer, wenngleich meine Erfahrungen mit letzteren sich bis dahin in Grenzen hielten.
Aber ich war neugierig.
So neugierig, dass ich das Angebot, welches mir der große Meister beim folgenden Gespräch in seinem Büro unter vier Augen machte, nicht einmal verwerflich fand. Zudem sah er nicht extrem abschreckend aus.
Und es ging um meine erste wirklich große Modenschau.
Letztlich war es doch mein besonderer Hüftschwung, der mir diesen Job einbrachte. Wenngleich dieser eher auf seinem Schoss, und unter wildem Gestöhne seinerseits, vorgeführt wurde.
Es war nicht mal schlecht. Es war erträglich. Die Schmerzen zweitrangig, denn ich hatte den Job. Meine Einstiegskarte in die Welt der erstklassigen Laufstege und großen Modeschauen.
Es blieb nicht bei einem Mal. Die Modewelt ist voll von Männern und Frauen, die zumindest einmal mit einem gutaussehenden Model im Bett liegen wollen. Ihr Traum erfüllt meinen Traum.
That's business. Ich weiß, wie es läuft.
Nenn mich eine Schlampe und ich lache dir ins Gesicht, denn ja: Das bin ich. Aber ich bin erfolgreich, ich verdiene gut, ich habe ein tolles Leben. Das ist eben der Preis, den man zahlen muss.
Mein Name ist Joschi Teschner. Du hast ihn bestimmt schon mal gehört ...
2 Feuer im Blick
Wieder ein Job wie jeder andere. Dieses Mal in London.
Es ist unerwartet warm, kein typischer Regen. Ich mag diese Stadt, ihr besonderes Flair zwischen Tradition und Moderne. Ich bin gerne hier.
Das Taxi bringt mich vom Flughafen ins Hotel und eine Stunde später geht es auch schon zum Shooting.
Ein Leben aus Terminen und wechselnden Orten. Ich habe kein Zuhause, keine echte Heimat. Eine Wohnung in Hamburg, eine in München. Die Jobs wechseln ständig, die Settings, die Menschen, mit denen ich arbeite. Ein Flug nach Miami, dann nach Korsika, München, Berlin, Moskau und danach Norwegen.
Ich kenne viele Orte, viele Menschen und viele Männer.
Und wie immer mehr feststelle: Ich mag vor allem Männer im Bett. Frauen erwarten viel mehr von einem Mann, sehen ihn immer in einer bestimmten Rolle. Für mich zu viel. Nicht wirklich mein Ding.
Männer sind anders, flexibler, praktisch veranlagt. Manipulierbar und leicht austauschbar.
Ich bin im Grunde nicht extrem wählerisch, der Typ ist mir fast egal, wenn es ums Geschäft geht. Ansonsten suche ich sie mir jedoch etwas sorgfältiger aus. Sportlich schlank oder auch mal muskulös. Es gibt einige, die es mir angetan haben. Hauptsache sie sind einigermaßen gepflegt. Ich hasse nichts so sehr wie Gestank und Schmutz. Viele Männer sind schrecklich ungepflegt.
Ich nicht. Ich lege äußerst viel Wert auf mein Erscheinungsbild. Das ist schließlich mein Kapital.
Es gibt im
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