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Schneesterben

Schneesterben

Titel: Schneesterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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näherte sich ihrem Ende. Nemax hatte eine Vorliebe für Spaghetti mit Parmesankäse entwickelt. Der Deutsche Aktienindex legte zu und drehte wieder ins Minus. Carmen wurde aus dem Krankenhaus entlassen, ließ das Kind bestaunen und sagte: »Klar heißt du Schooon, gell, Möpselchen?«
    Und eines Abends…
    Nemax war schon seit Stunden unruhig. Alle naselang wanderte das Tier zum Fenster, lief unschlüssig zur Katzenklappe und wieder zurück oder schnüffelte an der Haustür. Schließlich hatte Bremer ein Einsehen und ging mit dem Kater vor dem Schlafengehen noch einmal hinaus. Nemax trat von einem Bein aufs andere, tupfte die Vorderpfote in den nicht mehr ganz so frisch aussehenden Schnee, stieß ein ungeduldiges Quarren aus und streckte das Näschen in die Luft. Eine Windbö fegte über das Gemüsebeet. Bremer bückte sich und griff in den Schnee. Er war schwer und naß. Am Himmel rasten die Wolken vor einem blendenden Mond.
    Bremer grüßte hinauf und ging wieder ins Haus. Er lauschte auf das Knacken der alten Balken und Dielen des Hauses, dachte an Anne, fragte sich, was Thomas Regler machte und wieso dessen Frau sich nicht mehr blicken ließ und ging ins Bett.
    Er schlief unruhig. Der Sturm wiegte das Haus, und irgendwann begann es zu regnen. Als er am nächsten Morgen die Haustür öffnete, stand das Wasser auf der Straße und die Meisen schimpften im Apfelbaum. Der Schnee auf dem Gemüsebeet war zu schmutziggrauen Flecken zusammengeschnurrt, die Schneewälle am Straßenrand eingefallen. Er sah zu, wie braunes Wasser in den Gully stürzte, vor dem sich eine zerquetschte Coladose, ein Kinderstrumpf, die Reste einer toten Ratte und mehrere Zellophanhüllen von Zigarettenschachteln angesammelt hatten.
    Am Nachmittag fuhr Ortsvorsteher Wilhelm mit der Kehrmaschine durchs Dorf.
    Am Tag darauf fiel ein Kind unter großem Geschrei aus dem Kinderwagen, während sein pflichtvergessener Vater auf der Straße stand und mit den Nachbarn die kommende Fußballsaison diskutierte.
    Am Abend hörte Bremer von Gottfried, daß Krista Regler schon seit einer Woche im Krankenhaus lag. Die Bekannte des Neffen eines befreundeten Züchters war Aushilfsschwester dort. Man hatte Krista im Wald gefunden, im Auto sitzend, fast erfroren. Niemand durfte sie besuchen, auch nicht ihr Mann.
    Und am Tag darauf kam die Polizei.

5
    Feldern
    E s nahm ihm die Luft. Man hielt ihn für ein Monster.
    Dr. Thomas Regler verordnete sich, gleichmäßig zu atmen. Er hatte den kleinen David auf dem Gewissen, glaubte alle Welt. Krista lag im Krankenhaus, daran war er wahrscheinlich auch schuld. Und wer weiß, woran sonst noch, wenn man nach dem ging, was die Polizei anzunehmen schien. Er hob die Hände vors Gesicht und sah mit zunehmender Fassungslosigkeit, daß sie zitterten. Sie waren gepflegt, wie immer. Der Schnitt an der rechten Hand war sauber verheilt. Die andere Hand sah zwar furchtbar aus, aber das würde schon werden. Doch daß sie zitterten, die Hände, ohne die er seinen Beruf an den Nagel hängen konnte…
    Aber hing er da nicht längst?
    »Wo waren Sie am Dienstag vor einer Woche?« hatte der Mann von der Kriminalpolizei vorhin gefragt. Nicht, daß man ihn verhören wolle – aber es gebe da einige, nun ja, also: Unklarheiten.
    Kein Problem. Die beiden Beamten hatten gelächelt, er hatte gelächelt. Den letzten Dienstag wußte er auswendig. Den Tag würde er nie in seinem Leben vergessen.
    Schon morgens hatte ihn die Küche empfangen, als wäre länger niemand dagewesen. Es roch nach Abwesenheit und Abfalleimer. Am liebsten hätte er Krista geweckt, um nicht allein frühstücken zu müssen.
    Er hatte die Espressomaschine eingeschaltet und das Müsli aus dem Regal geholt. Draußen wartete die Finsternis eines Februarmorgens. Und wenigstens einer von ihnen beiden sollte ausschlafen dürfen.
    Die Espressomaschine lärmte, aber kein Tropfen rann in die Tasse. Der Schacht für die Bohnen war leer. Und der Joghurt aus dem Kühlschrank – er hatte nur dran riechen müssen. Muffig. Frustriert ließ er Tasse, Müslidose und Joghurt auf dem Küchentisch stehen. Kauf doch mal wieder ein, Krista, hatte er noch gedacht. Du bist dran. Und mit kindischem Trotz hatte er die Küchentür geräuschvoll hinter sich ins Schloß fallen lassen.
    Das Krankenhaus war hell und warm und im Vergleich geradezu einladend gewesen. In seinem Zimmer schlüpfte er aus Windjacke und Pullover, zog den Kittel über und fuhr sich vor dem Spiegel durch die Haare, die wieder mal

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