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Schöne Neue Welt

Schöne Neue Welt

Titel: Schöne Neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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Und plötzlich fiel er vor ihr auf die Knie, ergriff die Hand und küßte sie ehrfürchtig. »Nicht erfreut! Ach, wenn Sie nur wüßten!«
    flüsterte er und wagte es, den Blick zu ihr zu erheben.
    »Bewunderte Lenina!« fuhr er fort. »In der Tat der Gipfel der Bewunderung; was die Welt am höchsten achtet, wert.« (Sie lächelte ihm mit verführerischer Zärtlichkeit zu.) »Denn Ihr, o Ihr, so ohnegleichen« (sie neigte sich mit geöffneten Lippen zu ihm) »so ohnegleichen, so vollkommen« (näher, immer näher)
    »seid vom Besten jeglichen Geschöpfs erschaffen.« Noch näher.
    Plötzlich sprang er auf. »Und deshalb«, sagte er abgewandten Blicks, »deshalb wollte ich erst eine Tat vollbringen... Ich meine: zeigen, daß ich Ihrer würdig bin. Nicht, daß ich das je wirklich sein könnte. Aber immerhin zeigen, daß ich nicht ganz unwürdig bin. Ich wollte etwas Großes tun.«
    »Warum Sie es überhaupt für nötig halten -«, begann Lenina, aber sie sprach nicht zu Ende. In ihrem Ton lag eine Spur von Gereiztheit. Wenn man sich mit offenen Lippen näher, immer näher geneigt hat und dann plötzlich entdeckt, daß man sich leerer Luft hingeneigt hat, weil der dumme Tölpel sich auf die Beine rappelt, nun, dann hat man, selbst mit einem halben Gramm Soma im Blut, wohl triftigen Grund zum Ärger.
    »In Malpais«,
    murmelte der Wilde ohne jeden
    Zusammenhang, »mußte man ihr das Fell eines Berglöwen zu Füßen legen, wenn man sie heiraten wollte, meine ich.
    Oder ein Wolfsfell.«
    »Bei uns gibt es keine Löwen«, zischte Lenina.
    -192-

    »Und selbst wenn es sie gäbe«, fügte der Wilde mit plötzlich erwachtem, verachtungsvollem Abscheu hinzu, »würde man sie vom Helikopter aus erlegen, mit Giftgas oder dergleichen. Ich aber täte das nicht, Lenina.« Er straffte die Schultern, wagte einen Blick auf sie und begegnete dem starren Ausdruck
    gereizter Verständnislosigkeit. Verwirrt widerrief er: »Alles will ich tun!« Sein Reden wurde immer unzusammenhängender.
    »Alles, was Sie wollen. Wissen Sie, manch mühevolle Spiele gibt's, und die Beschwer erhöht die Lust daran. Dasselbe Gefühl habe ich. Wenn Sie es wünschen, werde ich den Boden fegen.«
    »Aber es gibt hier doch Staubsauger«, antwortete Lenina erstaunt. »Das ist doch gar nicht nötig.«
    »Natürlich nicht. Jedoch manch schnöder Dienst wird
    rühmlich übernommen. Verstehen Sie denn nicht? Ich möchte irgendeinen schnöden Dienst rühmlich übernehmen.«
    »Aber wenn man doch Staubsauger hat -«
    »Darum handelt es sich nicht.«
    »- die von Epsilon-Halbidioten bedient werden? Also
    wirklich, wozu?«
    »Wozu? Für Sie natürlich. Nur um zu zeigen, daß ich -«
    »Und was in aller Welt Staubsauger mit Berglöwen zu tun
    haben -«
    »Zu zeigen, wie sehr ich -«
    »Oder Löwen mit der Freude über meinen Besuch?« Sie
    wurde immer gereizter.
    »Wie sehr ich dich liebe, Lenina«, stieß er fast verzweifelt hervor.
    Das Blut strömte in Leninas Wangen, Zeichen der in ihrem Innern aufwallenden seligen Überraschung. »Ist das dein Ernst, Michel?«
    -193-

    »Ich wollte es nicht sagen!« rief der Wilde, die Hände wie im Todeskampf verkrallt. »Noch nicht... Höre, Lenina: in Malpais heiraten die Leute.«
    »Was tun sie?« Gereiztheit schlich sich wieder in ihre
    Stimme. Wovon sprach er da nur?
    »Für immer. Sie geloben, für immer miteinander zu leben.«
    »Was für eine grauenhafte Idee!« Sie war ehrlich entrüstet.
    »Die Schönheit überdauernd durch ein Herz, das frisch erblüht, ob auch das Blut uns altert.«
    »Wa-as?«
    »Bei Shakespeare ist's auch so: Zerreißt du ihr den
    jungfräulichen Gürtel, bevor der heiligen Feierlichkeiten jede nach hehrem Brauch verwaltet werden kann...«
    »Um Fords willen, Michel, sprich doch vernünftig! Ich
    verstehe ja kein Wort. Erst Staubsauger, dann Gürtel! Du machst einen ja verrückt.« Sie sprang auf; aus Furcht, daß er ihr leibhaftig davonlaufen könnte, wie er ihr schon im Geist entwischt war, packte sie ihn am Handgelenk. »Jetzt gib mir Antwort auf eine Frage! Magst du mich wirklich, oder magst du mich nicht?«
    Einen Augenblick lang schwieg er, dann sagte er ganz leise:

»Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt.«
    »Warum hast du es dann nicht gleich gesagt?« rief sie, so außer sich, daß sie ihm ihre spitzen Fingernägel ins Handgelenk grub. »Statt von Gürteln, Staubsaugern und Berglöwen drauflos zu faseln und mich wochenlang leiden zu lassen!«
    Sie ließ seine Hand los und stieß sie

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