Das scharfe Duo ROTE LATERNE Band 10 (Rote Laterne Roman) (German Edition)
Ein frischer Wind umfing Silke Nielsen, als sie die Uni verließ. Mit wehendem Haar und langen Schritten eilte das blonde Mädchen über die Stufen hinunter.
»Mensch, Silke, renn doch nicht so!«, rief ihr ein dunkelhaariges Mädchen nach, das kurz nach Silke das Gebäude verlassen hatte. Silke blieb stehen und wartete ab, bis die Studienkollegin, Rita Dahlberg, nachgekommen war. »Ich dachte, wir gehen noch auf einen Sprung in 'Günters Pinte'?«, fragte Rita und wischte sich das lange, wehende Haar aus der Stirn.
»Geht leider heute nicht«, erwiderte die blonde Silke.
»Hast du etwas Besseres vor?«
»Man kann es so nennen. Tante Swolke gibt Audienz, und ich muss erscheinen. Die gute Tante kann Unpünktlichkeit nicht ausstehen, und sie ist ohnehin sauer auf mich.«
»Wegen deiner matten Leistungen?«
»Du sagst es«, bestätigte Silke dumpf. »Also gut, auf 'nen kleinen Kaffee können wir uns zusammensetzen. Aber nicht bei Günter. Da trifft man immer wer weiß wen und hakt sich fest.«
»Gehen wir in die kleine Cafeteria, die drüben am alten Kanal liegt?«
»Okay«, gab Silke nach. Auf dem Weg sprachen sie nicht viel. Sie hatten gegen den böigen Wind zu kämpfen, mit dem der Winter in Norddeutschland seinen Abschied ankündigte.
»Du siehst sehr besorgt aus«, meinte Rita, als sie an einem der kleinen Tische saßen und heißen Kaffee tranken. »Deine Tante Swolke scheint ja ein richtiger Drachen zu sein!«
»So will ich es nicht unbedingt nennen«, meinte Silke nachdenklich. »Sie lebt einen anderen Stil. Sie ist eine sehr wohlhabende Kapitänswitwe, musst du wissen. Nach dem Tod meiner Eltern, sie verunglückten mit ihrem Wagen auf der Autobahn bei Hannover, hat sie mich unter ihre Fittiche genommen. Aus mir soll etwas werden, sagt sie. Und sie lässt es sich allerhand kosten: das Studium, meine Bude, meinen Lebensunterhalt. Ich wüsste echt nicht, wie ich das finanzieren sollte.«
»Ich bin auch nicht viel besser dran als du«, versuchte Rita Dahlberg zu trösten. »Und ich habe keine reiche Tante Swolke, die mich finanziert. Ich muss es alleine tun.«
»Ich wundere mich ohnehin immer, wie du es schaffst, über die Runden zu kommen.«
»Ich schaffe es halt«, gab Rita sparsam zur Antwort. »Mal hier, mal dort ein wenig jobben. Es geht schon. Aber sag, hast du echt Bedenken, dass dir deine Tante den Monatsscheck sperrt?«
»Hab ich«, gab Silke zu. »Und weißt du, was dann kommt? Dann muss ich wieder in diese alte Kapitänsvilla nach Blankenese zurück, muss ihr vorlesen, sie auf ihren Wanderungen am Elbufer begleiten und mir die ganzen Erinnerungen anhören, die nun mal ihr Lebensinhalt sind. Und das brächte mich um!«
»Nun, das Fallbeil ist noch nicht gefallen«, erklärte Rita.
»Mal bloß nicht den Teufel an die Wand!«, murmelte Silke. »Ich glaube, ich schaffe das nicht. Ich habe, im Gegensatz zu dir, keine einzige Vorlesung geschwänzt. Aber ich krieg es nicht in den Kopf, obwohl ich mich nicht gerade als blöd bezeichnen will.«
»Nimm Nachhilfe!«
»Bei Hajo vielleicht? Komm, der hat doch anderes im Kopf. Ich hab's schon probiert. Er versuchte den ganzen Nachmittag an meinen Oberschenkeln zu fummeln.«
»Solange er nur gefummelt hat, geht es ja. Bei mir kam er zur Sache.«
»Bei dir?«
»Und wie!«, bestätigte Rita. »Ist aber schon eine Weile her. Es war in Planten und Blomen, hinter einem Rhododendron ...«
»Also weißt du!«, stammelte Silke.
»Du bist doch auch nicht von gestern«, meinte Rita kichernd.
»Und wenn es einen in Planten und Blomen so überkommt, kannst du es ja nicht vor den Leuten auf der Bank machen.«
»Man könnte sich in seine vier Wände zurückziehen«, empfahl Silke.
»Irrtum«, erklärte Rita. »Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist.« Sie seufzte. »Na ja, hat sich nie wiederholt. Leider. Jetzt schickert Hajo ja mit dieser knochendürren Dänin herum. Weiß gar nicht, was er an diesem Klappergerüst findet?«
»Ich muss los«, sagte Silke nun entschlossen. »Ein anderes Mal höre ich mir gerne deine erotischen Abenteuer an.«
»Ich könnte dir was erzählen!«
»Du wirst lachen: Ich glaub es dir aufs Wort«, entgegnete Silke. »Übernimmst du meinen Kaffee? Bin leider vollständig pleite. Es reicht gerade noch für die Fahrt zur Audienz.«
»Alles klar, Lütte, ich drück dir die Daumen und die Fußzehen.«
»Das werde ich brauchen können«, bedankte sich Silke und ging.
Während der Fahrt nach Blankenese versuchte
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