Schürzenjäger
1. KAPITEL
C laire Braden konnte sich nicht daran erinnern, an irgendeinem Ort, an dem sie in ihren einunddreißig Jahren gelebt hatte, kurz vor Weihnachten jemals so eine Hitze erlebt zu haben. Was hatte sie nur dazu getrieben, ausgerechnet nach New Orleans zu ziehen?
Die Temperatur war unerträglich, wobei nicht die Hitze das Schlimmste war, sondern vor allem die drückende Luftfeuchtigkeit. Es war so schwül, dass sie am liebsten nackt durch ihr Reihenhaus gegangen wäre und ihren Kopf in den Kühlschrank gesteckt hätte.
Eigentlich war es Sünde, im Dezember die Klimaanlage einzuschalten. Trotzdem hätte Claire es getan – wenn das Ding nicht kaputt gewesen wäre. Und ihr war die Vorstellung zuwider, vor dem Einsetzen der heißen Jahreszeit im Mai Geld für die nötige Reparatur auszugeben.
Schon bald würde es wieder kühler werden, daran glaubte sie fest. Außerdem stand Weihnachten vor der Tür, und bestimmt hatte der Weihnachtsmann schon ihren Wunschzettel erhalten.
Die Klimaanlage. Die Kooba-Umhängetasche in Pflaumenblau, bitte. Zehn zusätzliche Stunden jeden Tag. Zehn Pfund weniger auf den Hüften. Oh, und eine Affäre mit dem Typen von Nummer 13 in der Court du Chaud, dessen Balkon schräg gegenüber von ihrem lag.
Der erste Wunsch war praktischer Natur, eine Notwendigkeit, kaum ein richtiges Weihnachtsgeschenk; der zweite eine Belohnung, die sie sich gönnen würde, sobald sie dem derzeitigen Kunden ihrer Imageberatung die Rechnung geschickt hatte. Der dritte Wunsch war ein Hirngespinst, und der vierte – ein reines Aufbegehren gegen ihre Gene.
Der fünfte Wunsch war etwas Besonderes, Unerwartetes, das sie zwar nicht unbedingt brauchte, aber herbeisehnte. Und das außerdem ihr tiefes Verlangen stillen würde.
Sie schloss die zum Hof hin liegende Eingangstür auf und betrat den Flur ihres Reihenhauses. Die schwüle Hitze war nichts im Vergleich zu der Wirkung, die ihr neuer Nachbar auf ihre Gemütsverfassung hatte.
Seit zwei Jahren wohnte sie nun im Court du Chaud, kannte aber nur wenige Mitbewohner. Es hätte noch länger gedauert, ihr Imageberatungsbüro zu etablieren, wäre Claire nicht auf Empfehlungen bekannter Unternehmen, für die sie gearbeitet hatte, nach New Orleans gekommen.
Die vielen Stunden, die sie in die Arbeit steckte, ließen ihr kaum Zeit, um sich mit netten Typen zu einem Date zu verabreden oder neue Freunde kennenzulernen. So gern sie auch unter Leute ging – ohne ausreichenden Schlaf konnte sie ihr hohes Arbeitstempo nicht durchhalten.
Eine Bekanntschaft hatte sie jedoch gemacht, und zwar mit Perry Brazille, die auf der anderen Seite des Innenhofes wohnte. Mit ihr frühstückte Claire oft zusammen im Café Eros, einem zweistöckigen Lokal am Eingang des Innenhofes. Dort tranken sie meistens Kaffee, teilten sich eines der gehaltvollen Kuchenstücke und klagten einander ihr Leid. Denn ihr beider Liebesleben war eher trostlos.
Im Café hatte Claire genug Tratsch aufgeschnappt – hauptsächlich von Madame Alain, dem Klatschmaul aus dem Court du Chaud –, um zu wissen, dass ihr neuer Nachbar genau der Richtige für eine heiße Affäre wäre.
Er hatte sein Reihenhaus bar bezahlt, fuhr einen teuren Importwagen, trug Maßanzüge und hatte eine unwiderstehliche erotische Ausstrahlung.
Allerdings war es eher untypisch für Claire, sich von derartigen Äußerlichkeiten beeindrucken zu lassen. Schließlich wusste sie als Imageberaterin am besten, was sich hinter einer ansprechenden Fassade alles verbergen ließ.
Tatsächlich verpasste sie sich bei jeder Gelegenheit einen neuen Look, als könnte die richtige Kombination von Haarfarbe und Frisur sie von ihrer Unzufriedenheit ablenken.
Aber ihr Nachbar war sexy und athletisch wie ein griechischer Gott. Und es gab eben nun einmal Zeiten, da zählte nichts anderes. Zeiten wie diese, wenn Weihnachten näher rückte und sie absolut nicht darauf scharf war, das Fest allein zu verbringen.
Nachdem sie ihre Prada-Pumps weggekickt hatte, zog sie ihre Strumpfhose aus und warf sie zusammen mit der Handtasche und ihrem dunkelblauen Blazer auf das dick gepolsterte Sofa, das orientalisch rot und gold gemustert war. Dann ging sie in die Küche, um sich ein großes Glas Eistee zu holen.
Die weiße Bluse über ihrem elfenbeinfarbenen Camisole aus Seide aufgeknöpft, schnappte Claire sich ihren ledernen Aktenkoffer, in dem ihre Post steckte. Dann ging sie nach oben und in ihr Schlafzimmer. Seufzend öffnete Claire die Balkontür und trat
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