Schuhwechsel
Länder dieser Welt nachgedacht und eine Jakobsmuschel in meiner Jackentasche als ich wieder nach Hause komme. Immer noch die innere Freude bei gleichzeitiger Gelassenheit, aber keine Idee wohin.
Meine Schwester hat mir eine Email geschickt. Sie kann und sie kommt und ihre Kinder freuen sich sehr. Ich bin platt. Zwei Jahre lang konnte sie nicht und jetzt plötzlich geht es? Das ist ja fast schon unheimlich.
Meine schlaue Freundin Ina hat ebenfalls geantwortet:
Liebste Rosa,
ich beneide dich nicht wirklich - aber irgendwie doch!!! Ich bin total genervt und zeitweise völlig überfordert und dann will ich Geschäftsführerin werden?!? Ich bin mir echt nicht sicher. Vielleicht sollte ich doch lieber einen gemütlichen 20 Stunden Job machen und erst einmal mein Leben auf die Reihe bekommen.
Ansonsten hoffe ich auf eine schnelle Scheidung, auf einen erfolgreichen Workshop am Dienstag und Mittwoch in der Firma und danach vier – in Worten VIER freie Tage mit Michael – ohne Kinder.
Bis bald mal, meine Liebe, ich drück dich
Ina
An diesem Abend kann ich nicht einschlafen. Ich liege in meinem Bett und zappe durch alle Kanäle. Es kommt mal wieder nur Schrott in der Kiste. Was nützen die ganzen Flachbildschirme und HDTV, wenn eh nur Mist ausgestrahlt wird? Irgendwann hab ich 3Sat erreicht. Das ist ein Sender der bei mir eine dreistellige Nummer hat und den ich so gut wie nie erreiche. Dort bleibe ich hängen, denn gerade berichtet Paolo Coelho über den spanischen Jakobsweg.
Natürlich habe ich sein Buch über den Jakobsweg gelesen, wie ich alle seine Bücher gelesen habe, ich verehre diesen Mann und natürlich kenne ich das Hörbuch von Hape Kerkeling als er mal eben „weg“ war. Schnabbel und Bock sind der Renner meiner Kinder auf langen Autofahrten. Ina hat mir das Hörbuch vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt und selbstverständlich wollte ich schon immer mal dahin… auf den Jakobsweg nach Spanien.
Wenn man eh nicht schlafen kann, kann man genauso gut wieder aufstehen und im Internet Bücher über das Pilgern auf dem Jakobsweg bestellen. Ich entscheide mich für zwei kleine Taschenbücher, trinke dazu ein Glas Rotwein und schlafe endlich ein.
Tag: minus Fünf
Noch nie habe ich Bücher so sehnsüchtig erwartet wie diese Beiden.
Tag: minus Vier
Gerade sind die Bücher angekommen und schon sind sie ausgepackt und gelesen. Mal alles was wichtig ist. Santiago de Compostela hat einen Flughafen und der wird von Ryanair angeflogen? Sehr interessant! Das gab es zu Hapes Zeiten noch nicht, denke ich und stürze mich ins Netz. Tatsächlich! Ab Frankfurt Hahn kann ich für 120 Lappen nach Santiago und wieder zurück bei bevorzugtem Einsteigen. Es sind nur noch 3 Plätze frei und jetzt muss ich schneller nachdenken. Ein ganz großes Problem gibt es nämlich schon noch: Bei meiner ganzen perfekten Organisation mit dem ganzen Drumherum sollte mein Geliebter damit einverstanden sein, dass ich zwei Wochen ohne ihn und ohne überhaupt jemanden, mal eben weg bin.
Vorsichtshalber sollte ich buchen. Wenn es nichts wird, ist nicht viel hin. Viel ärgerlicher wäre es, wenn ich nicht buchen würde, mein Geliebter nichts dagegen hätte, aber keine Flüge mehr frei sind. Ich habe ja nur zwei Wochen Zeit.
Ich buche. Und hier ist das vorläufige Ende der Geschichte erreicht. Weil es nur noch wenige Tage bis zum Abflug sind, kann ich nicht per Bankeinzug bezahlen, sondern nur per Kreditkarte und meine Amex wollen sie nicht. Ich rufe umgehend bei meiner Bank an und möchte bitte s o f o r t eine visa-card. „tut mir Leid, so schnell geht das nicht… blabla… Formulare und Unterschriften… blablubb...“, man kennt das ja. Für jeden Furz und Feuerstein Gebühren abbuchen sind die sauschnell, aber mal eben für eine Stammkundin eine Kreditkartennummer rausrücken, das geht selbst mit schnellem Skype, Fax und Internet nicht… und „tut uns schrecklich Leid…“
Wenn die soviel Energie in Lösungen investieren würden, wie in ihre formvollendeten Entschuldigungen, hätte unser Bundesfinanzhaushalt vielleicht auch weniger Probleme.
Ich brauche ´ne Kreditkartennummer von Visa. Auf keinen Fall kann ich meinen Geliebten anrufen und ihn darum bitten. Den muss ich erst einmal vorsichtig auf meine Idee vorbereiten und das mach ich am Besten Morgen, wenn wir uns sehen.
Während ich den Jakobsweg innerlich loslasse und mich mit meinen verregneten B-Plänen anfreunde, geh ich mit dem Hund spazieren.
In meiner Hosentasche
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