Schuhwechsel
Gleichgewichtssinn wieder hergestellt und meine Kinnlade in ursprünglicher Position stand, habe ich begriffen, dass ich gehen könnte, wenn nur der Flughafen nicht geschlossen wäre.
Abgesehen davon, dass ich meinen Geliebten gerade mal wieder sehr liebe, blieb ich innerlich völlig gelassen. Wenn es was wird, ist es gut, wenn nicht, dann auch. Von Patty kam noch keine Antwort. Egal was sich jetzt ergeben wird, ich habe so viele A, B, C und D Pläne, dass es für mehrere Ferien und Wettersituationen ausreicht. Der Sommer kann kommen.
Für den Fall, dass die Flughäfen doch noch rechtzeitig öffnen würden, fange ich schon mal an zu packen.
Tag: minus Zwei
Gerade habe ich im Internet Wanderschuhe bestellt. Die fehlen mir nämlich noch. Natürlich soll man mit bereits eingelaufenen, gut passenden Wanderschuhen den Pilgerweg antreten, aber dazu habe ich jetzt keine Zeit mehr. Kaufe mir vorsichtshalber drei Packungen Blasenpflaster und hoffe, dass die Schuhe rechtzeitig ankommen.
Gerade hat Patty angerufen. Sie kommt nun doch nicht, weil sie mit David früher als geplant, wieder zurück nach Hause fliegt.
Habe außerdem festgestellt, dass nur die südspanischen Flughäfen geschlossen sind und einige auf den Kanarischen Inseln. Santiago de Compostela war von dieser Aschewolke die ganze Zeit nicht betroffen.
Bin zu der Überzeugung gelangt, dass nicht ich mich für den Jakobsweg entschieden habe, sondern dass mich dieser Weg ruft und dafür sorgt, dass alle Hindernisse, die mich davon abhalten könnten, beseitigt werden.
Habe gelesen, dass man mit dem Pilgern schon zu Hause beginnt. Demnach bin ich schon auf dem Weg. Irgendwie. Fühlt sich gut an.
Bin sehr gespannt was mir Gott, (oder wie auch immer wir diese Leben schaffende Energie nennen möchten) auf diesem Weg zeigen möchte. Grüble über meiner Pilgerfibel, ab welcher Stelle es sinnvoll ist, mit meinem Weg zu starten. 14 Tage habe ich Zeit. Die letzte Wanderung an der ich teilgenommen habe, war in der 9. Klasse im Landschulheim. Das ist eine ganze Weile her, wenn man bedenkt, dass mein Herr Sohn am Wochenende 21 Jahre alt wird.
30 km jeden Tag erscheinen mir, untrainierte Hausfrau, zu viel, deshalb rechne ich mal vorsichtig mit 20-25 km pro Tag. Dazu noch ein oder zwei Pausentage, zB. wegen zu vielen Blasen an den Füßen… ergibt 250 km und damit wäre Astorga der Ausgangspunkt. Oder Leon?… wobei…dann hätte ich womöglich schon wieder einen Druck im Nacken und das möchte ich auf keinen Fall. Also Astorga und gemütlich.
Tag: minus Eins
Habe mein gesamtes Equipment auf dem großen Esstisch ausgebreitet und wiege die einzelnen Dinge mit Küchen- und Personenwaage ab. Laut meiner Wanderfibel darf ich nur 10% meines Körpergewichtes +2 kg tragen, wenn ich keine Gesundheitsschäden an meinen Füßen riskieren möchte.
Das wären dann in Summe genau 8 kg.
Mein ultraleichter, ergonomisch rückenfreundlicher Hightec Damen-Rucksack einer Markenfirma wiegt leer 4 kg. Die Medikamente plus Blasenpflaster wiegen 890g und die nehm´ ich auf alle Fälle mit! Man braucht immer das, was man nicht dabei hat, da bleibe ich abergläubisch.
Der Schlafsack wiegt 1 kg, die leichteste selbstaufblasende Isomatte aus dem Outdoorshop wiegt 500g. Mein Sohn hat mir die gerade noch besorgt und steht nun neben mir und wir beratschlagen, was ich nun brauche und was nicht. Er steckt mir ein Pfefferspray zu und will, dass ich es einpacke. Ich bin sehr gerührt und stecke es, jederzeit griffbereit, in meine Cargohosentasche.
Wenn ich die Wasserflasche mit 800g in der Hand trage, wiegt mein Rucksack (abgerundet) 14 kg.
Ich überlege, die Iso-Matte zu Hause zu lassen. HaPe hatte seine „Aisoläischen-Mat“ Anne geschenkt, weil er sie nie gebraucht hatte. Aber HaPe hat auch meistens im Hotel übernachtet.
Ich hingegen schlafe sehr gerne in der freien Natur. Fast so gerne wie im Hotel. Es gibt doch nichts Schöneres als die Sterne über sich zu wissen und den Göttern nahe zu sein, um dann, noch bevor die Sonne über dem Horizont aufgeht, mit dem Zwitschern der Vögel die Morgendämmerung zu begrüßen.
Wie auch immer alles werden wird, ich habe keine Ahnung was da auf mich zukommt. Alles was ich jetzt sagen kann ist, dass ich bereit bin für jedes Erlebnis welches mir begegnen möchte und das in höchst freudiger Erwartung.
Alles wieder auspacken, auf dem Tisch ausbreiten, darüber blicken und genau nachdenken, was nun wirklich wichtig ist und was nicht.
Den großen
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