Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis
traf er Lincoln, der die Durchsuchung seines Zelts ebenfalls beendet hatte.
»Im Westen nichts Neues«, verkündete er bemüht unbeteiligt. »Alles kaputt, zertrampelt und in Klump gehauen. Bei dir?«
»Ebenso.« In Anbetracht von Lincolns nervöser Verfassung hielt es Henry für besser, ihm nichts von dem Blut und dem zerfetzten Schlafsack zu erzählen. Stattdessen zeigte er ihm die Kamera. »Vielleicht hilft uns das ja, dieses Rätsel zu entschlüsseln.«
Lincoln hob zweifelnd eine Braue. »Meinst du, die tut’s noch?«
»Äußerlich ist sie in Ordnung. Vermutlich hat die Kälte den Akku tiefenentladen, aber wenn die Speicherkarte noch funktioniert, komme ich mit dem Kartenreader in meinem Netbook an die Daten ran.«
Hinter der Plane des Hauptzelts huschten die Lichtkegel Golitzins und Eileens hin und her. Als Henry und Lincoln sich der Eingangsschleuse näherten, wurde die Plane beiseitegeschlagen und der Russe erschien in der Öffnung. In seiner freien Hand hielt er einen Stapel Papiere. Eileen, die hinter ihm ins Freie trat, trug ein flaches Gerät unter dem Arm.
»Keine Teammitglieder, nur zerstörtes Equipment«, verkündete Golitzin mit verkniffenem Blick. »Und Blut. Viel Blut. Ich fürchte, hier hat sich etwas Grauenhaftes zugetragen.«
»Sagen Sie uns doch zur Abwechslung mal was, das wir noch nicht wissen!« Lincoln zog schniefend die Nase hoch.
»Etwas haben wir dennoch gefunden. Möglicherweise ist es nützlich?« Eileen hielt Henry das Gerät hin, das sie aus dem Zelt gebracht hatte. Es war so groß wie ein Schreibblock und ungefähr genauso dick. Eine Seite bestand aus einer Glasplatte, durch die sich ein hässliches Spinnennetz aus Rissen und Sprüngen zog.
»Ein Tablet-PC?« Henry verstaute die Kamera in einer Tasche seines Parkas und nahm der Wissenschaftlerin den Rechner ab.
»Und zwar nicht irgendeiner«, trumpfte sie auf. »Laut den Unterlagen, die in der Nähe verstreut lagen, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um das Ersatzgerät deines Vaters, Henry.«
Henrys Augen weiteten sich. »Dads Expeditionstagebuch! Wenn er diesen PC benutzt hat, müsste sich die Fortsetzung seiner Aufzeichnungen auf der Festplatte befinden.«
Golitzin nickte. »Das vermuten wir. Es könnte jedoch schwierig werden, an die Daten heranzukommen. Das Gerät hat ganz schön was abbekommen. Aber ich bin in diesen Dingen ja zum Glück Laie.«
Henry drehte den Tablet-PC prüfend zwischen seinen dicken Handschuhen. Es handelte sich um ein speziell für den Outdoor-Einsatz konstruiertes Gerät, schwerer und robuster als die kleinen, handlichen Modelle für zu Hause. Um den Rand verlief eine geriffelte schwarze Gummischicht, die den Rechner griffiger machen und ihn bei Stürzen vor Beschädigungen schützen sollte.
Viel genutzt hatte das allerdings nicht. Entweder war das Gerät mit dem Touchscreen voran auf einen harten Gegenstand gefallen, oder jemand war absichtlich daraufgetreten. Das spezialgehärtete Glas war zerstört, einzelne Splitter krümelten aus dem Rahmen, als Henry den PC untersuchte.
»Er sieht tatsächlich nicht mehr ganz taufrisch aus«, gab er mit unverhohlener Skepsis zu.
»Wir haben uns daran erinnert, was du mit dem ausgemusterten Rechner deines Vaters angestellt hast«, erklärte Eileen und lächelte ihm aufmunternd zu.
Henry nickte. »Falls noch ein einziger Datensatz lesbar ist, werde ich ihn rausholen.«
In diesem Moment ertönte vom anderen Ende des Lagers erneut die Stimme Morten Grays: »Dr. Golitzin? Hören Sie mich? Hier ist etwas, das Sie sich mal ansehen sollten!«
Sie fanden Gray, Lamont und den Professor ein Stück jenseits des beschädigten Spyker-SnoCats. Die Männer standen stumm vor einer Reihe länglicher Erhebungen, fünf an der Zahl, die vor ihnen aus dem Boden ragten.
Im Näherkommen erkannte Henry, dass es sich um flache Haufen von etwa zwei Metern Länge und einem Meter Breite handelte, geschichtet aus unregelmäßigen dunklen Felstrümmern. Am Kopfende jedes Hügels steckte ein roh gezimmertes Kreuz zwischen den Steinen. Etwas Silbriges war darumgeschlungen und baumelte sacht im Wind.
Für einen Augenblick standen die Neuankömmlinge schweigend da. Henry hatte das Gefühl, ein stählerner Gürtel ziehe sich mit unnachgiebiger Gewalt um seinen Brustkorb zusammen. »Sind das … Gräber?«
Professor Albrecht nickte.
»Von Mitgliedern des Spyker-Teams?« Der Druck um Henrys Brust nahm zu, bis er kaum noch atmen konnte.
Der Professor nickte
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