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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Gebildeform, so zweideutige Semmeln wie zum Beispiel –
    Frederik, reiß dich zusammen! Tante Hildegard ist eine sehr respektierliche Frau!
    Das will ich damit keineswegs bestreiten, ich würde es sehr begrüßen, wenn du nur halb so respektierlich wärst. Ich würde dir auf alle Fälle dabei behilflich sein, deine obszönen Backwaren auf dem Markt an den Mann zu bringen, ich würde beispielsweise ausrufen: Hier schöne Schwanzbröt–
    Danke, Frederik, ich glaube, das genügt.
    Jedenfalls standen da die Getreidesäcke, von Tante Hildegard waren sie.
    Er hatte, weil an ihr einerseits kein Weißmehlpaket passierte und sie andererseits so freundlich und einfühlsam und auch sonst voller guter Eigenschaften war, sämtliche von seinem Schweizer Backguru erlernten Plätzchenrezepte in die Vollwertkost übersetzt, backte nur mit Dinkel und Honig und, wo unvermeidlich, mit allerrohstem Rohrzucker und hatte sich von ihr sogar überreden lassen, den gesunden Galgant in seine Spekulatius zu verbacken. Er musste sagen, alles schmeckte gar nicht schlecht, nein, es schmeckte alles ausgesprochen gut oder, wie Tante Hildegard so herzerfrischend kundtat, rundum gesund! Tante Hildegard war stolz auf ihn und Tante Hildegard war eine so freundliche, einfühlsame und auch sonst charakterstarke Person, dass er auf ihren Stolz ausgesprochen Wert legte.
    Er aß noch ein Stück Quittenbrot, alt wie die Menschheit selbst, und erfreute sich an den vielen von ihm und seiner AG befüllten Dosen und Kisten, dann ging die Tür auf, seine Oma war überall.
    Ach hier bist du, sagte sie, kurz von ihrer Liste aufblickend, sie machte mit ihrem Stift einen Haken, vermutlich führte sie ihn an jeder dritten Stelle für alle diversen Arbeiten, hakte ihn ab, an dich denke ich schon die ganze Zeit.
    Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, wenn du bei jedem Klo, das nicht ordnungsgemäß spült, und jedem Bild, das von der Wand fällt, automatisch an mich denkst, sagte Sydow. Er ließ sich von der Gefriertruhe gleiten, in der, wie er wusste, ein notgeschlachtetes Schwein lag. Er hatte keine Ahnung, in was für einer Not sich das Schwein befunden hatte und ob es die darauf folgende Schlachtung als Befreiung davon begrüßt hatte, noch, wer das Schwein notgeschlachtet –
    Lass dieses müßige in der Gegend Herumdenken, sagte seine Oma, sie steckte sich den Kugelschreiber in die Schürzentasche und ging ihm voraus aus der Speisekammer, ich sehe dir genau an, dass das wieder nichts taugt. Geh und zieh die Kinder eine Runde mit dem Schlitten, die sind schon völlig durch den Wind und verlangen nach einem rotznasigen Reintier und danach, dieses Jahr ihre Geschenke in meine Strumpfhosen gestopft zu kriegen, ich weiß nicht, wo sie diesen Unsinn herhaben.
    Von Tante Mary aus England, sagte Sydow, der hinter ihr herging, die setzt ihnen diese Flausen in den Kopf, sie wiegelt sie auf, sie will Weihnachten wie zu Hause. Ich frage mich, ob das überhaupt eine echte Sydow ist, mir kommt das nicht normal vor, rotznasiges Rentier, ich bitte dich.
    Doch, das ist eine Großcousine von meinem Schwager, ihre Großmutter war die Tante von der Mutter von meinem –
    Oder so, Sydow lachte, er klopfte seiner Oma auf den Rücken, vergiss es, Omi! Deine Versuche, verwandtschaftliche Bande zu entflechten, stellen alles infrage, was man je über Genealogie gelernt hat. Wir sind dir hoffnungslos ausgeliefert, du sagst, das ist Verwandtschaft, und wir nicken alles ab, war doch schon immer so. Wo sind denn die Kinder?
    Drüben im zweiten Salon bei Onkel Jodok, er wollte ihnen was zeigen.
    Bloß nicht, murmelte er, er ging rüber in den zweiten Salon, nahm dem Bub an der Wand den Apfel vom Kopf und erklärte den gespannten restlichen Kindern zu ihrer großen Enttäuschung das Ende vom Spaß. Dem nicht minder enttäuschten Onkel nahm er die Armbrust ab, er hatte sie selbst im Herbst auf dem Dachboden gefunden und im Salon zwischen die Hirschgeweihe gehängt, er hatte es dekorativ gefunden, jetzt fand er es gedankenlos, dumm und dabei ästhetisch nicht über die Massen ansprechend. Er sperrte sie in eine kaputte Toilette und warf den Schlüssel in eine Vase, nicht dass seine Oma ihn noch zu weiteren Klosettreparaturen heranzog.
    Das war doch nur eine Riesengaudi, sagte der Onkel, und kein bisschen gefährlich.
    Sydow ließ das unkommentiert. Während er den Kleinsten Schuhe und Schneeanzüge überzog, dachte er bei sich, dass vermutlich nur darum Onkel Jodoks Erzählungen nach

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