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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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interessiert dem anschließenden Gebrüll. Er steckte sich ein Chräbeli in den Mund, es ging um Affären ganz allgemein und um eine Frau namens Bibi.
    Ich weiß es nicht, sagte seine Oma nach reiflicher Überlegung. Sie nahm einem Kind die Handvoll verkokelter Kaubonbons ab und ein weiteres von einem Stuhl, es hatte sich darangemacht, die Keksbehänge in luftigeren Höhen anzubeißen. Frau von Sydow neigte in solch prekären Situationen dazu, ihre schnell angebotene Hand der Verwandtschaft ebenso schnell wieder zurückzuziehen. Es waren einfach zwei Leute, die hier zufällig auch Weihnachten feierten, und sie hatten unterschiedliche Ansichten zu einer Frau namens Bibi, wer auch immer das sein mochte.
    Die Adoleszenz hatte sich unter Mitnahme großer Schachteln belgischer Schokoladentruffes fürs traditionelle Versteckspiel im gesamten Haus zurückgezogen, Sydow hatte vorsichtshalber das Puzzle abfotografiert und einen alten Bottich unter das Zimmer mit Loch gestellt, gefüllt mit Wasser. Er und Onkel Dagobert hatten eine Wette am laufen, Onkel Dagobert sagte Nein, er sagte Ja.
    Jede Wette, sagte er, er steckte sich eine halbe Lebkuchensocke in den Mund, dass einer reinfällt. Das ist wegen der Hormone, da spielt das Orientierungsvermögen plemplem. Schwangere und Pubertierende, schick sie auf einen Orientierungslauf und du siehst sie nie wieder. Was spielt ihr denn da?
    Tric-Trac, sagte Onkel Dagobert.
    Gewinnst du?
    Wer gegen mich spielt, sagte Onkel Jodok gemütlich, gewinnt nicht.
    Sydow betrachtete ihn, die prächtigen Schenkel, dieser Mann war ein Bär, ein Mammut, eine ausgestorbene Spezies, behäbig in der Ruhe und gefährlich, wenn er in Bewegung kam. Ich vermute mal, sagte er dann, er ließ seine Hand über den Spezereien kreisen, das gilt auch für die Jagd.
    Die Sau, meinst du! Onkel Jodok trictracte sein Gegenüber gerade ins Aus, er lehnte sich zurück und nahm sein Punschglas in die Hand, sicher, die Sau gewinnt gegen mich auch nicht, er leerte das Glas in einem Zug, da hätte sie früher aufstehen müssen!
    Aha.
    Simon Glaser kam, bahnte sich zwischen den auf Sofas und Teppichen fläzenden Weihnächtlern einen Weg und baute die Notenständer vor dem Tannenbaum auf, sind wir so weit? Frederik? David?
    Sydow hielt sich an der Plätzchenplatte fest, ich esse noch, sagte er.
    Glaser ging her und versuchte, sie ihm wegzunehmen, sie zerrten ein bisschen hin und her, dann kam Frau Sydow, stellte die Platte weg, sie klatschte in die Hände und rief, Musik!
    David? Glaser dudelte zum Warmwerden ein paar Tonleitern rauf und runter und schaute sich nach Stanjic um, David?
    Ich sags doch, David feiert Weihnachten ohne Familie, sagte Sydow. Würde ich auch, wenn ich er wäre.
    Glaser schaute in die bedeutete Richtung und sah Stanjic mit Katharina Fitzwilliam am Kamin, jemand hatte eine rollbare Stehlampe umfunktioniert und einen Mistelzweig an die Birne gehängt, rollte ihn immer hinter den beiden her. Sie saßen unter Misteln, küssten sich dann und wann und waren dazwischen in wichtiges Gewisper vertieft.
    Glaser sagte nichts.
    Sydow schaute ihn prüfend an, er wusste nicht, was er schließen sollte aus seinem Gesichtsausdruck. Ließ sich irgendwas daraus schließen? Nein, er hatte ein Pokerface, es ließ sich daraus schließen, dass er vermutlich gut war im Poker.
    Pokerst du eigentlich?, fragte Sydow, er sortierte seine Noten und legte sich die Blätter zurecht.
    Gelegentlich, sagte Glaser.
    Gut darin?
    Simon Glaser drehte sich zu ihm herum, ziemlich, sagte er, ziemlich gut, ja.
    Bist einer von denen, der die Leute richtig abzockt, was?
    Manche würden das so sagen, sicher.
    Und du?
    Ich würde sagen, ich bin einfach ein guter Spieler.
    Würdest du, Frederik von Sydow angelte sich den Plätzchenteller wieder vom Tisch, würdest du, wie Onkel Jodok, sagen, wer gegen dich spielt, gewinnt nicht?
    Glaser probierte die ersten paar Takte des Weihnachtsoratoriums, er hielt inne, nein, sagte er. Ich würde sagen: Dabei sein ist alles. David?
    Stanjic hielt im Flüstern inne und schaute her, dabei sein ist alles, sagte Glaser, schieb deinen Hintern her.
    Bitte, Simon, sagte Frau Sydow tadelnd, wie reden Sie denn.
    Den Arsch, musst du sagen, sagte Sydow, meine Oma ist da empfindlich.

112. Ein Heiland ist geboren

    Und dann?
    Dann übernahm Bach das Ruder, jauchzen! Frohlocken, preisen! Und rühmen!
    Und alle zusammen!, rief Sydow, er orgelte mit der Ziehharmonika, dass es eine Freude war, und erhob dann, kühn

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