Schwarzes Echo
Sprachen forderte es sie auf, nicht weiterzugehen. Einen Moment lang joggte sie auf der Stelle. Das lange, blonde Haar klebte am Schweiß auf ihren Schultern, und sie sah sich die Polizisten an, die größtenteils auch sie betrachteten. Dann drehte sie sich um und kam wieder an Bosch vorbei. Er folgte ihr mit seinem Blick, und ihm fiel auf, daß sie, als sie am Pumpenhaus vorbeikam, ihren Kurs änderte, um irgend etwas auszuweichen. Er ging hinüber und fand Glas auf dem Gehweg. Er sah hoch und bemerkte die zerbrochene Birne in der Fassung über der Tür zum Pumpenhaus. In Gedanken machte er eine Notiz, daß er den Aufseher fragen wollte, ob die Birne in letzter Zeit überprüft worden war.
Als Bosch wieder zu seiner Stelle am Geländer zurückkam, bemerkte er eine undeutliche Bewegung unter sich. Er blickte nach unten und sah einen Kojoten, der zwischen den Kiefernnadeln und dem Müll herumschnüffelte, der den Boden unter den Bäumen vor dem Damm bedeckte. Das Tier war klein, sein Fell zerzaust, und an manchen Stellen war es vollkommen kahl. Nur wenige waren in den abgesperrten Teilen der Stadt noch übrig, suchten nach Aas im Müll der menschlichen Aasgeier.
»Sie holen ihn jetzt raus«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Bosch drehte sich um und sah einen der Uniformierten, der dem Tatort zugeteilt war. Er nickte und folgte ihm den Damm hinunter, unter dem gelben Band hindurch und zurück zu der Röhre.
Grunzen und schweres Keuchen hallten aus dem Schlund der mit Graffiti übersäten Röhre. Ein Mann ohne Hemd, sein muskulöser Rücken zerkratzt und schmutzig, kam rückwärts heraus und zerrte an einer dicken, schwarzen Plastikfolie, auf der die Leiche lag. Das Gesicht des Toten blickte noch immer nach oben, und die Arme waren unter dem schwarzen Hemd verborgen. Bosch sah sich nach Donovan um und fand ihn an der Heckklappe eines blauen Einsatzfahrzeugs beim Verstauen eines Videorecorders. Harry ging hinüber.
»Du mußt leider noch mal rein. Der ganze Abfall da drinnen, Zeitungen, Dosen, Tüten, ich hab’ ein paar Spritzen gesehen, Watte, Flaschen, ich will das alles mitnehmen.«
»Kannst du haben«, sagte Donovan. Er wartete kurz und fügte hinzu: »Ich will ja nichts sagen, Harry, aber ich meine, glaubst du wirklich, da ist was dran? Ist die Sache es wert, daß wir uns dafür den Arsch aufreißen?«
»Ich schätze, wir werden es erst wissen, wenn sie ihn aufgeschnitten haben.«
Er wandte sich ab, blie b aber stehen.
»Hör zu, Donnie, ich weiß, es ist Sonntag, aber danke, daß du noch mal reingehst.«
»Kein Problem. Das sind a lles Überstunden.«
Der Mann ohne Hemd und ein Helfer des Coroners hockten am Boden und beugten sich über die Leiche. Beide trugen weiße Gummihandschuhe. Der Techniker war Larry Sakai, ein Mann, den Bosch seit Jahren kannte und noch nie gemocht hatte. Neben ihm stand eine offene Angelkiste am Boden. Er nahm ein Skalpell heraus und machte einen zwei Zentimeter langen Schnitt an der Seite der Leiche, kurz über der linken Hüfte. Es trat kein Blut aus der Wunde. Er holte ein Thermometer aus der Kiste und befestigte es am Ende einer gebogenen Sonde. Er schob es in den Einschnitt, drehte es geschickt, wenn auch etwas grob, und trieb es bis hinauf in die Leber.
Der Mann ohne Hemd verzog das Gesicht, und Bosch fiel auf, daß er an seinem rechten Auge eine blau tätowierte Träne hatte. Es war sicher der einzige Ausdruck von Mitgefühl, den der Tote zu erwarten hatte.
»Die Todeszeit dürfte eine harte Nuß werden«, sagte Sakai. Er sah nicht von seiner Arbeit auf. »Wissen Sie, so eine Röhre … bei den steigenden Temperaturen verfälscht sie den Temperaturverlust in der Leber. Osito hat drinnen abgelesen, es waren siebenundzwanzig Grad. Zehn Minuten später waren es neunundzwanzig. Wir haben keine feste Temperatur, weder in der Leiche noch im Rohr.«
»Also?« sagte Bosch.
»Also werde ich Ihnen hier nichts sagen können. Ich muß ihn mitnehmen und ein bißchen rechnen.«
»Sie meinen, Sie wollen ihn jemandem geben, der weiß, wie man es ausrechnet?« fragte Bosch.
»Sie werden es schon erfahren, wenn Sie zur Autopsie kommen. Keine Sorge, Mann.«
»Apropos, wer schneidet denn heute?«
Sakai antwortete nicht. Er war mit den Beinen des Toten beschäftigt. Er nahm die beiden Schuhe und verdrehte die Fußgelenke. Er schob seine Hände die Beine hinauf und faßte unter die Oberschenkel, hob die Beine an und beobachtete, wie sie an den Knien einknickten. Dann drückte er mit
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