Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
Vom Netzwerk:
hätte?«
    »So oder so, im Grunde schert es mich nicht. Wirst du diesen Schlüssel herbringen, oder muss ich dich ganz nett darum bitten?«
    Es war ein Fehler, ihm die Schlüssel zu bringen. Kip wusste es. Der Farbwicht war labil. Er war gefährlich. So viel hatte er selbst zugegeben. Aber er hatte Wort gehalten. Wie konnte Kip etwas Geringeres tun?
    Kip schloss dem Mann die Fesseln auf und dann das Vorhängeschloss an den Ketten. Er wich vorsichtig zurück, wie man vor einem wilden Tier zurückweichen würde. Der Farbwicht tat so, als bemerke er es nicht. Rieb sich lediglich die Arme und reckte sich. Er ging zu dem Wachposten, tastete noch einmal dessen Taschen ab und brachte aus einer davon eine grüne Brille mit einem gesprungenen Glas zum Vorschein.
    »Du könntest mit mir kommen«, meinte Kip. »Wenn das, was du gesagt hast, wahr ist …«
    »Was denkst du, wie nah ich an deine Stadt herankäme, bevor jemand mit einer Muskete auf mich anlegt? Außerdem, sobald die Sonne aufgegangen ist … Ich bin bereit, es hinter mich zu bringen.« Der Farbwicht holte tief Luft und starrte zum Horizont hinüber. »Sag mir eins, Kip, wenn du dein Leben lang schlimme Dinge getan hast, aber stirbst, indem du etwas Gutes tust, denkst du, das macht all die schlimmen Dinge wett?«
    »Nein«, antwortete Kip aufrichtig, bevor er sich bremsen konnte.
    »Ich auch nicht.«
    »Aber es ist besser als gar nichts«, bemerkte Kip. »Orholam ist barmherzig.«
    »Ich frage mich, ob du das auch noch sagen wirst, wenn sie mit deiner Stadt fertig sind.«
    Im aufkeimenden Licht sah Kip, was im Nebel und in der Dunkelheit verborgen gewesen war. Hunderte von Zelten waren mit militärischer Präzision errichtet worden. Soldaten. Unmengen von Soldaten. Und noch während Kip dastand, keine zweihundert Schritte vom nächsten Zelt entfernt, begann die Ebene zu blinken. Funken glitzerten auf Trümmern von zerborstenem Luxin wie Sterne, die auf die Erde gefallen waren und es doch ihren Brüdern am Himmel gleichtun wollten.
    Das war der Grund, weshalb Kip hierhergekommen war. Wenn ein Wandler Luxin freisetzte, löste es sich im Allgemeinen einfach auf, ganz gleich, welche Farbe es hatte. Aber in der Schlacht hatte solches Chaos geherrscht, es waren so viele Wandler beteiligt gewesen, und ein wenig versiegelte Magie war vergraben und vor dem Sonnenlicht geschützt worden, das sie aufgelöst hätte. Der Regen der vergangenen Tage hatte etwas davon freigelegt.
    Aber Kips Aufmerksamkeit wurde von dem blinkenden Luxin abgelenkt; vier Soldaten und ein Mann mit einem grellroten Umhang und roter Brille kamen vom Lager aus auf sie zu.
    »Mein Name ist übrigens Gaspar. Gaspar Elos.« Der Farbwicht sah Kip nicht an.
    »Was?«
    »Ich bin nicht einfach irgendein Wandler. Mein Vater hat mich geliebt. Ich hatte Pläne. Ein Mädchen. Ein Leben.«
    »Ich weiß nicht …«
    »Das wird sich ändern.« Der Farbwicht setzte die grüne Brille auf; sie passte ihm perfekt und saß dicht an seinem Gesicht. Die Linsen waren außen beidseitig gebogen, um das ganze Blickfeld abzudecken. Wo immer der Farbwicht hinschaute, sah er durch einen grünen Filter. »Jetzt verschwinde von hier.«
    Als die Sonne den Horizont berührte, stieß Gaspar einen Seufzer aus. Es war, als habe Kip aufgehört zu existieren. Es war, als beobachte er seine Mutter, wie sie diesen ersten tiefen Atemzug Nebel nahm. Zwischen den funkelnden Fetzen von dunklerem Grün verwirbelte das Weiß von Gaspars Augen, wie Tröpfchen aus grünem Blut, die auf Wasser trafen; zuerst lösten sie sich auf, dann färbten sie das Ganze. Das Smaragdgrün des Luxins blähte sich durch seine Augen auf, verdichtete sich zu einer soliden Masse und breitete sich dann aus: durch seine Wangen, hinauf zu seinem Haaransatz und dann hinunter zu seinem Hals, bis es schließlich dick seine helleren Fingernägel überzog, als seien sie mit strahlender Jade bemalt worden.
    Gaspar begann zu lachen. Es war ein leises, vernunftloses Gackern. Unnachgiebig. Wahnsinnig. Keine Verstellung diesmal.
    Kip rannte los.
    Er erreichte den Grabhügel, wo er den Wachposten gesehen hatte, und achtete darauf, auf dessen der Armee abgewandten Seite zu bleiben. Er musste zu Meister Danavis. Meister Danavis wusste immer, was zu tun war.
    Jetzt war kein Wachposten mehr auf dem Hügel. Kip drehte sich gerade rechtzeitig um, um zu sehen, wie Gaspar sich verwandelte. Grünes Luxin ergoss sich aus seinen Händen auf seinen Körper und bedeckte jeden Teil des Mannes

Weitere Kostenlose Bücher