Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
gestanden hatten.
Sie erschauerte.
Ein Skelett und der Leichnam des Preußen lagen in fast freundschaftlicher Umarmung beieinander, durchbohrt von dem Krummschwert. Der Priester und der Magiermönch waren nirgends zu sehen.
Konstanze blickte panisch um sich und zählte im Geiste die Personen. McMullen stand da. Von Rosberg lag still neben ihr, mit geschlossenen Augen. Sutton war seitwärts zusammengebrochen, und der Strom ärgerlicher Worte in einer fremden Sprache bedeutete immerhin, dass er lebte.
Der große Mönch lag reglos auf dem Gipfel. Seine Stellung schien für einen lebendigen Menschen ziemlich unnatürlich. War er tot?
Wo waren nur der Priester und der Magier abgeblieben? Wo war der Rabenmann – und wo war Clarissa?
Eine Hand tastete nach ihrer, fasste und drückte sie fest. Sie zuckte vor Schreck zusammen, doch entzog sich ihr nicht, als sie feststellte, dass die Hand Richard von Rosberg gehörte.
„Konstanze.“
Er wusste ihren Namen noch.
„Es tut mir so leid“, sagte sie in dem Bewusstsein, dass sie einen Fremden in dieses furchtbare Abenteuer hineingezogen hatte. „Es tut mir so unendlich leid.“
„Mir nicht.“ Er klang erschöpft. Seine Schulter war voller Blut.
Auf einmal ergaben die Bilder in ihrem Kopf Sinn.
„Der Wolf“, stieß sie atemlos hervor. „Sie waren der Wolf. Wie …?“
Er nickte, ließ ihre Hand dabei nicht los. Er wirkte wie ein Mensch, der etwas ungeheuer Wichtiges zu sagen hatte und doch die Worte dazu nicht fand.
„Wo ist der Wolf geblieben?“, fragte sie.
Einen Augenblick später sah sie ihn. Er kauerte auf dem Boden neben den toten Mördern. Nur war es nicht mehr der gleiche Wolf. Eine gelbäugige, graue Kreatur hockte da, nicht größer als ein Schäferhund. Nun stand er auf, seine Beine zitterten, er hob seinen Kopf und begann zu heulen.
Eine Schar Vögel, die neben ihm gehockt hatte, flatterte nervös auf und verstreute sich dann wieder auf dem Boden wie Hühner, zu plump, um zu fliegen.
„Ich verstehe das nicht“, sagte Konstanze. Sie kämpfte sich auf die Knie. „Ich will Clarissa zurückhaben!“, rief sie vom Hügel hinunter. „Wo bist du?“
„Ich bin hier“, flüsterte von Rosberg. „Ich – scheine – hier zu sein.“
Er holte schmerzhaft Atem.
„Sie habe ich nicht gemeint. Ich suche den Rabenmann.“
„Den gibt es nicht mehr“, murmelte Sutton, während er sich mühsam in eine sitzende Position kämpfte. Er hatte Nasenbluten, und auch aus seinem linken Auge lief eine dünne Blutspur. Er suchte nach einem Taschentuch. „Ich habe gesehen, wie er sich in verschiedene Einzelaspekte aufgeteilt hat.“
„Das verstehe ich nicht“, sagte Konstanze. „Er hat mich doch hierherkommen lassen, damit ich irgendetwas für ihn tue, wofür ich Clarissa zurückbekomme. Doch Clarissa ist nicht da, und ich weiß immer noch nicht, was ich eigentlich hätte tun sollen.“
„Du hättest sterben sollen“, sagte von Rosberg. „Du warst in alldem als Opfer vorgesehen.“
„Aber ich ...“
„Bitte stirb nicht, Konstanze Vanholst.“
„Verzeihung, ich …“
„Und bitte nicht um Verzeihung. Ich muss um Verzeihung bitten.“
Sie starrte ihn an.
„Warum sollte ich geopfert werden? Für was?“, fragte sie schließlich. „Und wer – was sind Sie?“
Sie sah, wie Sutton sich schmerzhaft langsam auf von Rosberg zubewegte. Er hielt sein Pendel in der Hand.
„Das ist eine wirklich gute Frage, Fräulein Vanholst“, sagte er. „Soweit ich das feststellen kann, ist er ein Mensch. Ein ganzer Mensch. Ohne irgendwelche wölfischen Anteile.“
„Wölfische Anteile?“
„Nachdem er zuvor kein vollständiger Mensch war und die letzten Tage eher die wölfische Seite seines Wesen favorisierte, würde ich schon sehr gerne erfahren, wie es sein kann, dass er jetzt – wie wollen wir es nennen – wiedervereinigt wurde? Oder geheilt?“
Ein trockenes Lächeln glitt über Richard von Rosbergs Lippen. Doch er sagte nichts dazu.
„Der Wolf da unten ist auch nicht nur ein Wolf“, mischte sich McMullen jetzt ein, der auch ein etwas kurzes Pendel schwang. „Ich fühle da noch andere Anteile.“
Konstanze blickte von einem Magier zum anderen.
„Ich fürchte, ich verstehe nicht …“, wiederholte sie.
„Ich denke, wir sollten uns erst einmal um die Schulter Ihres Freundes kümmern.“
„Er ist …“ Ihr versagten die Worte. Sie konnte wahrlich nicht sagen, er wäre nicht ihr Freund. Er hatte ihr beigestanden. Sie hielt seine Hand. Es
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