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Seegrund

Seegrund

Titel: Seegrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kobr Michael Kluepfel Volker
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plötzlich unangenehm, dass er hier mit seiner ganzen Familie stand, während die Kollegen aus Kempten und Füssen anrollten. Er nahm Markus zur Seite und bat ihn, mit den beiden Frauen nach Hause zu fahren, das sei nun wirklich nichts mehr für sie, sie bräuchten jetzt sicher etwas Ruhe. Markus nickte verständnisvoll, auch wenn Kluftinger ihm anmerkte, dass er gerne noch dageblieben wäre. Nachdenklich sah der Kommissar den dreien nach, wie sie Arm in Arm im Wald verschwanden.
    Jetzt erst bemerkte Kluftinger, dass er unsäglich fror. »Du Willi, hättest du noch einen Kittel für mich?«
    »Schau mal im Auto. Meine Frau hat da gestern einen Sack für die Kleidersammlung reingelegt. Vielleicht ist da was drin.«
    Das Auto seines Kollegen hatte mit seinem eins gemeinsam: das Alter. Wie Kluftingers grauer Passat war Renns 3er-BMW gut und gern zwanzig Jahre alt. Der Passat jedoch war eindeutig von der mangelnden Pflege seines Besitzers wie von dessen wenig achtsamer Fahrweise gezeichnet. Nicht so der weiße BMW. Wie aus dem Ei gepellt stand er im Schnee, als wäre er gerade einem Achtzigerjahre-Werbespot entsprungen: blütenweiß mit einem roten, hellblauen und dunkelblauen Streifen, der sich quer über die Motorhaube und das Dach bis zur hinteren Tür zog. Vorn und hinten prangte ein mächtiger Spoiler; der vordere hatte im Moment eher das Aussehen und die Funktion eines Schneepfluges. Alle Kollegen wussten um Renns Liebe zu diesem Automobil. Er hatte den Wagen einst sehr teuer gebraucht gekauft und wusch, wienerte und polierte ihn jedes Wochenende. Dass das Auto weder mit einem geregelten Katalysator noch mit modernen Fahrhilfen oder Sicherheitseinrichtungen ausgestattet war, störte Renn ebensowenig wie Kluftinger bei seinem Passat. Nur mit dem Verbrauch des BMW hätte Kluftinger sicher so seine Probleme gehabt:
    Der VW begnügte sich bei schonender Fahrweise mit sechs Litern, Renns Auto genehmigte sich etwa dreizehn vom feinen »Super Plus«. Für irgendetwas müsse man ja arbeiten, sagte der Kollege dann gern.
    Kluftinger sperrte den Kofferraum auf, von dessen Boden man sorglos hätte essen können und in dem es roch wie in einem neuen Auto. Er öffnete einen weißen Plastiksack, in dem sich neben einigen T-Shirts, Unterhosen und Blusen ganz unten auch ein dunkelbrauner Wildledermantel mit dickem Pelzbesatz an Kragen und Ärmeln befand. Erika hatte lange einen ähnlichen gehabt.
    Missmutig steckte er einen Arm in den Mantel und merkte, dass er viel zu eng war. Also hängte er ihn sich um, verknotete die Ärmel auf der Brust und setzte sich eine Pelzmütze auf, die er ebenfalls in dem Sack gefunden hatte.
    »Nastrovje, Genosse Kluftowitsch«, rief Renn ihm grinsend zu, als der Kommissar zurückkam. Den »abgesägten Astronauten«, der Kluftinger auf der Zunge lag, verkniff er sich.
    Noch einmal ging er in die Hocke und besah sich intensiv die Stelle, an der der Mann gelegen hatte. Mit dem Zeigefinger zeichnete er in der Luft das geheimnisvolle Zeichen nach.
    »Na, das sieht ja ganz schön wüst aus hier.« Kluftinger erkannte die Stimme sofort. Sie gehörte Friedel Marx, der dicht hinter ihm stand. Er hatte den Eindruck, dass die Stimmlage des Füssener Beamten seit ihrem letzten Telefonat eine weitere Oktave nach unten gerutscht war.
    Kluftinger stand ächzend auf und begann, noch während er sich umdrehte: »So, grüß Gott Herr Mar …« Er verstummte. Sein Mund blieb offen stehen. Friedel Marx stand vor ihm und grinste.
    »Irgendwann musste es ja mal so kommen«, sagte Marx.
    Kluftinger hatte sich noch immer nicht gefangen. Der Mann, mit dem er schon Dutzende Male telefoniert hatte – war eine Frau. Sie war ein wenig kleiner als der Kommissar und auch wenn ihre Erscheinung nicht gerade sehr feminin war, war sie zweifelsohne weiblichen Geschlechts: Ihre aschblonden Haare waren schulterlang und fielen ihr strähnig in die Stirn, ihre Haut wirkte gelb und ledrig, die Nase war mit einem Höcker versehen und ragte spitz aus ihrem faltigen Gesicht. Eine Hand hatte sie in einem speckigen grauen Anorak vergraben, in der anderen hielt sie einen Zigarillo.
    »Herr … Frau … ich meine«, Kluftinger wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Nase leuchtete rot.
    »Frau Marx, wenn’s recht ist«, sagte die Beamtin kurz.
    Kluftinger atmete tief durch. »Sie hätten doch mal was sagen können, am Telefon mein ich!«
    Marx nahm einen tiefen Zug von ihrem Zigarillo. Kluftinger erkannte, dass sie den Rauch inhalierte. Er war

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