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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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schrien auf. Die Diener stürzten auf die Torbögen zu. Ergez blieb allein neben dem Springbrunnen zurück. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Als Chaison ihn erreichte, legte er gerade die Hände über den Kopf und duckte sich.
    Â»Was …?« Chaison hob den Kopf, und im gleichen Moment sah er im Augenwinkel etwas aufblitzen. Es gab einen gewaltigen Knall , ein Klatschen, und dann ergoss sich ein Schwall kalten Wassers über ihn und Ergez.
    Â»Halb so schlimm!«, lachte Darius, der an der Seite stehen geblieben war. »Es ist nur ein Unwetter .«
    Wieder schoss eine Wasserkugel in den Hof. Diesmal war sie so groß wie der Tisch. Sie traf eine der Statuen und zersprang zu weißem Nebel. Die Tropfen spritzten nach allen Seiten.
    Eine Welle ging durch den Mosaikboden, das ganze Haus geriet in Bewegung. Einige Pfeiler hoben sich ein wenig, andere senkten sich. Ergez runzelte die Stirn, als er es sah. »Das wurde aber auch Zeit«, sagte er. Jemand hatte die Triebwerke des Habitats erreicht,
und nun wurde das Riesenrad mühsam so gedreht, dass es den heranfliegenden Wasserkugeln die Schmalseite zuwandte. »Warum hat man das nicht kommen sehen?«
    Chaison zuckte die Achseln. Seit seiner Ankunft war es verdammt neblig gewesen; so weit vom Winter entfernt war das ungewöhnlich. Mit Hilfe seines Fliegerinstinkts konnte er sich vorstellen, wie ein großes, weiches Feuchtigkeitskissen unbekannter Herkunft und mit unbekanntem Ziel langsam durch die Falkenformation wabbelte. Solange die Feuchtigkeit sich in Form von Wolken und Nebel verteilte, war alles gut. Kondensierte sie jedoch aus irgendeinem Grund, entstanden Wasserkugeln, anfangs so groß wie Regentropfen, dann wie Köpfe und schließlich wie Häuser. Die selteneren aber größeren Bälle stellten für Habitate wie für Schiffe eine Gefahr dar.
    Â»Unter solchen Umständen ist niemand unterwegs«, bemerkte er. »Zumindest nicht sehr schnell.«
    Â»Dann bleiben Sie wohl noch etwas länger unser Gast«, sagte Ergez und schleppte sich mit Chaisons Hilfe zu einem Sessel, der gut geschützt an der Innenwand der Villa stand.
    Ergez litt unter einer Form von Auszehrung. Er bekämpfte die Krankheit dadurch, dass er sich unter Schwerkraft aufhielt, solange es ging. Er wäre die Schmerzen losgeworden, hätte er die Flucht in die Schwerelosigkeit angetreten, aber er gab nicht auf. Chaison bewunderte und schätzte ihn dafür.
    Â»Für Sie ist jeder weitere Tag, den wir in Ihrem Haus verbringen, ein Risiko«, wandte er ein. »Ihre Gastfreundschaft hat uns im wahrsten Sinne des Wortes das
Leben gerettet – aber wenn es nach meinem Willen ginge, wären wir schon fort.«
    Ergez schüttelte den Kopf. »Sie wären nicht weit gekommen, so schwach wie Sie waren. Außerdem habe ich Ihnen ja nur ein Dach über dem Kopf gegeben. Den Klauen unseres sogenannten Rechtssystems hat Antaea Sie entrissen.«
    Eine Weile saßen sie in einträchtigem Schweigen da und horchten auf die Stimmen in der Ferne und das Schmatzen gelegentlich auftreffender Wasserkugeln. Das Geschrei kündigte hoffentlich nicht an, dass größere Objekte auf dem Weg zu ihnen waren.
    Â»Woher kennen Sie sie eigentlich?«, fragte Chaison endlich. »Oder ist sie nur eine von Ihren vielen Kontakten im Heimatschutz?«
    Ergez schmunzelte. Dann fasste er mit beiden Händen erst ein Bein und dann das andere und streckte sie aus. »Antaea und ich sind alte Freunde«, begann er. »Ich lernte sie an dem Tag kennen, an dem eigentlich die Welt untergehen sollte.«
    Chaison lachte kurz auf. »Etwas mehr müssen Sie mir schon erzählen.«
    Ergez sah ihn mit Unschuldsmiene an. »Es ist nicht so, dass wir unsere Geschichten nicht erzählen wollten«, sagte er. »Die Schwierigkeit ist nur, dass uns niemand glauben will. Wir werden als Lügner, Ketzer oder Verrückte gebrandmarkt – manchmal alles zusammen.
    Das Ende der Welt stand bevor. Im Heimatschutz wusste es jeder. Auch zahlreiche Bürger in Candesces Prinzipalitäten waren gewarnt. Man hatte sie massenweise zwangsevakuiert, als sich der Mount Ogils etwa zehn Jahre vorher rücksichtslos durch ihre Nationen
gepflügt hatte. Der Ogils ist ein Asteroid ähnlich dem, an dem Ihr Volk seine Hauptstadt befestigt hat. Der Unterschied ist, dass Ogils mehr Ärger macht, als ihm eigentlich zusteht. Seit Jahrhunderten spult

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