September. Fata Morgana
Ohren)
aus denen er ganze Passagen zitieren kann vor allem aus den unsichtbaren Gedichtbänden Ultra und Die Kriege im Paradies er ist ein großer hagerer Mann mit zarten Fingern und leuchtenden braunen Augen in einem zugleich faltigen wie überaus fein modellierten Gesicht das einem vertraut erscheint und doch an nichts erinnert etwa wie eine kluge alte Fledermaus ein Geschöpf das alle kennen aber die Wenigsten einmal genauer betrachten konnten so schnell fliegt sein Geist
Jabir arbeite an einem neuen Essay erklärt mir Madschid mit dem ich in der engen schmuddeligen Männerküche eine Art Tabouleh aus Gurken Tomaten Paprikaschoten und Bulgur fabriziere
drei Stunden lang trinken wir gegen den Krieg
der kommen wird da sind wir uns einig wenn auch aus verschiedenen Gründen oder vielmehr Theorien Ali bringt noch einmal seine Hypothese von der beleidigten Potenz zu Gehör er trinkt schnell um die Anspannung des Kliniktags loszuwerden
geflügelte Stiere und geflügelte Frauen deren Haut in giftigen Komplementärfarben glänzt brennende Mullahs an Dalís Giraffen erinnernd schreiten über von Flugzeugen getroffene gläserne Pyramiden hinweg die mich an Paris denken lassen und an den dort lebenden und ganz ähnlich malenden alten Freund Hussein
nach meiner Meinung gefragt sage ich nur dass ich als schlichter praktischer Mediziner der Ansicht sei man solle immer eine möglichst einfache Theorie suchen
eben das unternehme er in seinem Essay sagt Jabir eine simple und belegbare Theorie der Macht angelehnt an Hobbes der Kern besage nur dass
jede Nation und auch jede politische Kraft oder gar
jeder Mensch
den Moment der Macht suche
das hieße
die Macht werde in dem Augenblick eingesetzt und zu kriegerischen Zwecken missbraucht in denen die Möglichkeit gekommen zu sein scheint die Vorherrschaft ohne allzu große eigene Verluste zu erringen also etwa
wie England und Frankreich sich nach dem Ersten Weltkrieg auf den Trümmern des Osmanischen Reiches den Orient aufteilten oder wie Israel seinen Vorteil im Sechstagekrieg nutzte und Ägypten den seinen 1973 im Yom-Kippur-Krieg die PLO glaubte sich vor dem Schwarzen September in Jordanien so stark dass sie nach der Macht griff und Syrien manipuliert heute den Libanon weil sich nur noch oder vor allem dort Momente der Macht ergäben die der
UNSRIGE
natürlich gesehen habe
als er 1980 die vermeintlich revolutionsgeschwächten Iraner angriff und vor gut zehn Jahren Kuwait wobei er übersah dass mit dem Niedergang der Sowjetunion wieder einer der großen welthistorischen Momente der USA gekommen war
das Machthandeln glaubt Jabir sei fast unvermeidlich
ganz egal ob es sich um eine so genannte Demokratie oder um eine schöne alte Diktatur handelt wirft Madschid ein
oder um deine Frau sagt Ali wobei dem jüngeren Maler Karim die Idee kommt dass man Alis Theorie und die von Jabir kombinieren könne dass also die Aggression aus einer Kränkung heraus sich wechselseitig verstärke mit der aggressiven Eigendynamik einer echten oder eingebildeten Machtfülle zum Beispiel im Fall Afghanistan
zum Beispiel in unserem Fall demnächst vor unserer Haustür ruft Madschid aber weshalb? versteht ihr weshalb können die Mächtigen so handeln wie sie handeln wie erklärt ihr euch das mit einer einfachen Theorie wie sie Tarik haben möchte er kippt Wasser in seinen Arrak soals wolle er nur wissen wie das jähe Eintrüben oder Milchig-Werden des Anisschnapses zustande kommt
beflissen trinken wir für eine Begründung der großen monotonen erschöpfenden vernichtenden grauenhaft verlässlichen Konstante der Geschichte für eine Theorie des (historischen)
MITMACHENS
das immer wieder funktioniert und stattfindet
der Essay den ich in meinen Kopf schreibe sagt Jabir hat auch dieses Thema
die Angst? rate ich denn meines Erachtens gibt es keinen anderen Grund
Madschid dessen künstlerischer Schnurrbart in den letzten Jahren immer großväterlicher wurde (buschiger grauer stärker herabhängend an den Spitzen) hebt sein Glas und wir stoßen an um das Abstraktionsniveau unseres Gesprächs zwischen den flammenden Leinwänden weiterhin hoch zu halten denn da oben in den Gedankenkreisen und Denkspiralen denen wir von hier unten aus im scheinbar immer tiefer sinkenden Keller (Kerker) unserer Körper gebannt folgen
dort oben also
wird man uns kaum erwischen
es ist ein alter in langen Jahren trainierter tief verwurzelter Vorgang ein bedingter kollektiver Reflex dass man (WIR
die
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