Sex & junge Eltern
sind nämlich borniert. Verklemmt und hinterwäldlerisch. Und ganz, ganz intolerant. Kurzum: spießig. Spießig – das will niemand sein. Dann schon lieber tolerant. Warum denn nicht ein Radieschen dort verstecken, wo es zuerst mal niemand vermutet? Warum nicht Bauch, Beine, Po mit kaltem Erdbeer-Joghurt einschmieren? Vor dem Sex einen Slip über den Kopf ziehen oder währenddessen den G-Punkt punktieren? Wenn alle Beteiligten einverstanden sind und niemandem wehgetan wird! Erlaubt ist, was gefällt. Und mich zwingt schließlich niemand, zuzuhören oder nachzuahmen. Ich fühle mich trotzdem belästigt. Weil die Bekennerei alles entzaubert, kein Geheimnis lässt und mich manchmal verlegen macht. Und weil mir das Verschwinden aller Tabus und jeglicher Intimität als Freiheit verkauft wird, während ich das Gefühl habe, dass sich dadurch nur andere Zwänge auftun. Parallel zum Geschnatter der Bekenner melden sich immer mehr Frauen und Männer zu Wort, die sich auf sexuellem Gebiet absolut unzureichend fühlen. Weil sie beim Sex das Licht löschen, mit geschlossenen Augen genießen und dabei unter einer Bettdecke oder – am allerschlimmsten – unter einem Mann liegen, und das im 21. Jahrhundert. Ehen scheitern, weil der Sex so gleichförmig wird, sagen Experten mit wichtiger Miene. Sie scheitern aber auch, weil immer mehr Leuten weisgemacht wird, mit Beischlafakrobatik und Extrem-Sex würden sie eine Ewigkeit halten.Viele Menschen ahnen zwar, dass Paare, die ein paar Jahre zusammen sind, seltener miteinander schlafen – nach fünf Jahren anscheinend nur noch halb so häufig wie am Anfang, wenn man Untersuchungen Glauben schenken mag. Aber sie scheinen auch daran zu glauben, dass sich das mit etwas Mühe verhindern ließe. Mühe heißt: mit ausgefallenen Inszenierungen und Stellungen. So kommt es, dass Sex richtige Arbeit wird. Alles wollen, alles mögen lernen: Oralsex, Analsex, dirty talking, die Ledernummer. Das Blöde ist nur, dass es nicht genügt, Leidenschaft zu wollen, um leidenschaftlich zu empfinden. Gefühle kann man sich nicht basteln. Wir können Thrills schaffen, aber keine Empfindungen. Das ist so, als würden wir lernen wollen, gegrillte Heuschrecken zu mögen. Klar, probieren kann man sie ruhig, aber muss man sie deshalb auch mögen? Und wer sagt eigentlich, dass einem beim Sex Hören und Sehen vergehen muss? Noch dazu jeden zweiten Tag? Vielleicht genügt es, wenn man sich beim Sex geliebt, geborgen, miteinander vertraut, bestätigt, gut durchblutet oder einfach relaxed fühlt. Wenn man bequem liegt und sich in die Augen sehen kann. Ich weiß, Kuschelsex, Streicheln und Zärtlichkeit gelten als Testläufe für Anfänger. Ob sie sich, bloß weil ihr Image schlecht ist, auch mies anfühlen, bleibt fraglich. Wahrscheinlich haben immer noch sehr viele Menschen Freude an Sex, ohne dabei in eine Webcam zu winken, die Brustwarzen durchbohrt zu bekommen, anderen zuzuschauen oder Obszönitäten zu stammeln. Ich wage sogar zu behaupten, dass Sex auch schön sein kann mit Doppelkinn und Bierbauch. Mehr als vor unspektakulären Stellungen und einem ausbleibenden Orgasmus fürchten sich viele inzwischen vor dem ästhetischen Versagen: nicht so auszusehen wie die, die uns aufregenden Sex vorturnen. Und dazu Inszenierungen nutzen, die Kitschfilm-Niveau haben. Aber, mal ganz ehrlich: Wirklich glauben tut es wohl doch niemand, dass zu einem aufregenden Leben nicht mehr als eine Flasche Champagner, ein roter Slip und eine heiße Nummer auf der Kinderschaukel gehören.
17. Was kann eine Sexualberatung?
Kann man Unlust wegtherapieren? Fragen und Antworten zu Chancen und Grenzen der Sexualberatung
Wann ist eine Sexualberatung sinnvoll?
Jeder, der das Gefühl hat, mit einem sexuellen Problem nicht allein fertig zu werden, sollte den Weg in eine Beratungsstelle nicht scheuen. Es ist egal, wie groß oder klein das Anliegen ist – je früher man es mit professioneller Hilfe in Angriff nimmt, desto leichter lässt sich eine Lösung finden. Meistens sind es die so genannten sexuellen Funktionsstörungen, die Männer und Frauen in eine Sexualberatung führen: Männern geht es um Probleme mit der Erektion oder vorzeitigem Samenerguss, Frauen um Orgasmusstörungen, aber auch um anhaltende Lustlosigkeit, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder sexuelle Aversion (Gedanken an Sex und auch der sexuelle Akt werden als unangenehm und abstoßend empfunden).
Was heißt eigentlich „sexuelles Problem“?
Wann eine sexuelle
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