Shannara V
tot, die Schätze, die vor den Krypten, in denen sie lagen, aufgestapelt waren, und die steinernen Wächter, die über ihre Überreste wachten. Steinaugen starrten aus reglosen Gesichtern, blicklos, achtlos. Er war mit ihren Gespenstern allein.
Er lag im Sterben.
Tränen traten ihm in die Augen, blendeten ihn, als er versuchte, sie zu unterdrücken. Was war er doch für ein Dummkopf!
Dunkler Onkel. Die Worte hallten geräuschlos, eine Erinnerung, die ihn heimsuchte und quälte. Es war die Stimme des Finsterweihers, dieses üblen, heimtückischen Geistes, der für das, was ihm widerfahren war, verantwortlich war. Es waren die Rätsel des Finsterweihers gewesen, die ihn auf der Suche nach dem schwarzen Elfenstein in die Halle der Könige geführt hatten. Der Finsterweiher mußte gewußt haben, was ihn dort erwartete - nicht der Elfenstein, sondern statt dessen der Asphinx, eine tödliche Falle, die ihn vernichten würde.
Und warum hatte er angenommen, daß es anders wäre, fragte Walker sich kleinmütig. Haßte ihn der Finsterweiher mehr als alle anderen? Hatte er sich nicht vor Walker gerühmt, daß er ihn ins Verhängnis schickte, indem er ihm gab, was er wünschte? Walker war ihm einfach aus dem Wege gegangen, um dem Geist gefällig zu sein, indem er übereifrig davonhastete, um den Tod zu finden, der ihm versprochen war, in dem naiven Glauben, er könne sich gegen jedwedes Übel, das ihm in die Quere kommen könnte, selber schützen. Erinnerst du dich, schalt er sich selbst, erinnerst du dich, wie zuversichtlich du warst?
Er wand sich, als das Gift in ihm brannte. Gut und schön. Und wo war seine Zuversicht jetzt?
Er zwang sich auf die Knie und beugte sich hinunter über die Öffnung im Höhlenboden, wo seine Hand an dem Stein festgehalten wurde. Er konnte so eben die Überreste des Asphinx sehen. Der steinerne Leib der Schlange war um seinen versteinerten Arm geringelt, beide für immer verbunden und fest mit dem Felsen des Gebirges verwachsen. Er kniff den Mund zusammen und zog den Ärmel seines Kittels zurück. Sein Arm war hart und rührte sich nicht, grau bis an den Ellenbogen. Graue Streifen arbeiteten sich langsam zu seiner Schulter hinauf. Der Prozeß war langsam, aber stetig. Sein ganzer Körper würde zu Stein werden.
Nicht, daß es einen Unterschied machte, wenn das geschah, dachte er, denn er würde ohnehin verhungern, bevor es soweit war. Oder verdursten. Oder dem Gift erliegen.
Er schob den Ärmel wieder hinunter und ließ ihn das Grauen verdecken, das aus ihm geworden war. Sieben Tage vergangen. Das bißchen Nahrung, das er mitgenommen hatte, war fast sofort aufgezehrt gewesen, und das letzte Wasser hatte er vor zwei Tagen getrunken. Seine Kraft verließ ihn jetzt schnell. Die meiste Zeit lag er im Fieberrausch, seine klaren Momente wurden immer kürzer. Zu Anfang hatte er gegen das, was geschah, angekämpft und versucht, mit Hilfe seiner Magie das Gift aus seinem Körper zu verbannen und seine Hand und seinen Arm wieder zu Fleisch und Blut zu machen. Doch seine Zauberkraft hatte vollständig versagt. Er hatte sich abgemüht, seinen Arm vom Steinboden loszubekommen, in der Hoffnung, er könnte ihn irgendwie befreien. Doch er wurde festgehalten, ein Verurteilter ohne jegliche Hoffnung auf Befreiung. Irgendwann hatte seine Erschöpfung ihn zum Schlafen gezwungen, und im Laufe der Tage hatte er immer häufiger geschlafen und war immer weiter von dem Wunsch fortgeglitten, wieder aufzuwachen.
Und nun, während er als ein Häufchen Elend und Schmerz dakniete, nur zeitweilig durch die Stimme des Finsterweihers vor dem Sterben bewahrt, erkannte er mit entsetzlicher Gewißheit, daß, falls er wieder einschliefe, es für immer wäre. Er atmete schnell ein und aus und würgte die Angst zurück. Er durfte es nicht geschehen lassen. Er durfte nicht aufgeben.
Er zwang sich zum Nachdenken. Solange er denken konnte, sagte er sich, würde er nicht einschlafen. Im Geiste verfolgte er noch einmal seine Unterhaltung mit dem Finsterweiher, hörte noch einmal die Worte des Geistes und versuchte noch einmal, ihre Bedeutung zu entziffern. Der Finsterweiher hatte die Halle der Könige nicht beim Namen genannt, als er beschrieb, wo der schwarze Elfenstein zu finden sei. Hatte Walker einfach den falschen Schluß gezogen? War er absichtlich fehlgeleitet worden? Lag irgendeine Wahrheit in dem, was man ihm gesagt hatte?
Walkers Gedanken zerstreuten sich verwirrt, und sein Verstand weigerte sich, der Anforderung
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