Shannara V
und hauchte ihr sein eigenes Leben ein. Dann trat er zurück und wartete. Die Brust des Mädchens hob und senkte sich, ihre Glieder begannen zu zucken. Ihre Augenlider flackerten und klappten auf, ihre kohlschwarzen Augen schauten aus ihrem zarten Gesicht. Sie war zierlich und feingliedrig, wie kunstvoll aus Papier gefaltet, geglättet und geformt, so daß die Kanten und Ecken durch Rundungen ersetzt wurden. Ihr Haar war so weiß, daß es wie Silber schimmerte, und es hatte einen Glanz, der das Vorhandensein dieses kostbaren Metalls nahelegte.
»Wer bin ich?« fragte sie mit sanfter, heller Stimme, die von kleinen Bächlein und zarten, nächtlichen Geräuschen wisperte.
»Du bist meine Tochter«, erwiderte der König vom Silberfluß und entdeckte Gefühle, die sich in ihm regten, die er seit langer Zeit verloren geglaubt hatte.
Er machte sich nicht die Mühe, ihr zu sagen, daß sie ein Elementarwesen, ein Erdkind war, das aus seiner Magie erschaffen wurde. Sie konnte mit den Instinkten, die er ihr eingegeben hatte, fühlen, was sie war. Weitere Erläuterungen waren überflüssig.
Sie tat versuchsweise einen zaghaften Schritt vorwärts, dann noch einen. Als sie sah, daß sie gehen konnte, bewegte sie sich schneller, prüfte ihre Fähigkeiten auf unterschiedliche Weise, indem sie um ihren Vater herumging und den alten Mann im Gehen scheu und behutsam betrachtete. Neugierig blickte sie sich um, nahm den Anblick, die Gerüche, die Geräusche und den Geschmack der Gärten in sich auf und entdeckte in ihnen eine Verwandtschaft, die sie sich nicht sofort erklären konnte.
»Sind diese Gärten meine Mutter?« fragte sie unvermittelt, und er sagte ihr, so sei es. »Bin ich ein Teil von euch beiden?« wollte sie wissen, und er bejahte es.
»Komm mit«, lud er sie freundlich ein.
Zusammen wandelten sie durch die Gärten und erforschten sie in der Art von Vater und Kind, betrachteten Blüten, beobachteten die flinken Bewegungen der Vögel und Tiere, studierten die weitläufigen, komplizierten Strukturen des wirren Unterholzes und die komplexen Schichten von Stein und Erde, die Muster, gewoben aus den Fäden der Existenz der Gärten. Sie war schnell und helle, interessierte sich für alles, voller Liebe und Respekt vor dem Leben. Er war zufrieden mit dem, was er sah. Er fand, er hatte sie gut gemacht.
Nach einer Weile begann er, ihr etwas von der Magie zu zeigen. Zunächst demonstrierte er die seine, nur ein ganz klein wenig, um sie nicht zu überfordern. Dann ließ er sie ihre eigene ausprobieren. Überrascht stellte sie fest, daß sie solche besaß, und war noch mehr überrascht über das, was sie bewirkte. Aber sie zögerte nicht, sie zu verwenden. Sie war ganz eifrig.
»Du hast einen Namen«, sagte er zu ihr. »Möchtest du wissen, wie du heißt?«
»Ja«, sagte sie und schaute ihn aufmerksam an.
»Du heißt Quickening. Belebung.« Er machte eine Pause. »Verstehst du, warum?«
Sie überlegte ein Weilchen. »Ja«, antwortete sie dann wieder.
Er führte sie zu einem uralten Hickorybaum, dessen Rinde sich in großen, ausgefransten Streifen vom Stamm löste. Eine kühle Brise wehte hier und duftete nach Jasmin und Begonien, und sie setzten sich auf das weiche Gras. Ein Greif kam zwischen den hohen Halmen herbei und schnupperte an der Hand des Mädchens.
»Quickening«, sagte der König. »Es gibt etwas, das du tun mußt.«
Langsam und sorgfältig erklärte er ihr, daß sie die Gärten verlassen und hinaus in die Welt der Menschen müsse. Er sagte ihr, wohin sie zu gehen und was sie zu tun hätte. Er sprach von dem Dunklen Onkel, dem Hochländer, und dem namenlosen Anderen, von den Schattenwesen, von Uhl Belk und Eldwist und von dem schwarzen Elfenstein. Und während er zu ihr sprach und ihr die Wahrheit enthüllte, wer und was sie war, fühlte er einen Schmerz in seiner Brust, der eindeutig menschlich war, ein Teil von ihm, der seit vielen Jahrhunderten untergetaucht gewesen war. Der Schmerz brachte eine Traurigkeit, die drohte, seine Stimme zum Brechen und seine Augen zum Tränen zu bringen. Einmal hielt er überrascht inne, um dagegen anzukämpfen. Es kostete ihn einige Mühe, wieder weiterzusprechen. Das Mädchen schaute ihn still an - aufmerksam, in sich gekehrt, erwartungsvoll. Sie gab keine Widerworte, und sie stellte nicht in Frage, was er ihr sagte. Sie lauschte nur und akzeptierte es.
Als er zu Ende gekommen war, stand sie auf. »Ich weiß, was von mir erwartet wird. Ich bin bereit.«
Doch der König
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